Entfuehrung nach Gretna Green
haben. Wovon hätten wir nach unserer Ankunft leben sollen? Wenn Sie damit gerechnet haben, dass meine Familie uns unterstützt, so wissen Sie nur wenig über die finanziellen Verhältnisse meiner Eltern. Das Geld, das ihnen zur Verfügung steht, reicht gerade eben, um ihr Leben zu bestreiten.“
„Nein, nein! Niemals würde ich so etwas erwarten! Ich dachte, wenn wir erst einmal in Italien sind, werden wir uns ein hübsches Cottage in den Weinbergen suchen. Und dort...“ Mit strahlendem Gesicht richtete Ravenscroft sich auf. „Dort werde ich ein Buch schreiben! “
Die Uhr auf dem Kaminsims tickte laut. Vor dem Fenster wirbelten die Flocken, die einzige Bewegung, die in diesem Moment im Zimmer zu sehen war.
Gregor bohrte die Fingernägel in die Handflächen, um nicht lauthals loszulachen.
Mit einem strafenden Blick zeigte ihm Venetia, dass seine Bemühungen umsonst waren, sie hatte seine Erheiterung auch so bemerkt. Dann wandte sie sich wieder Ravenscroft zu. „Eine Sache muss ich Sie noch fragen.“
Eifrig beugte er sich vor. „Was auch immer Sie wissen möchten.“
„Was hätte ich tun sollen, während Sie an diesem ... Schlüsselroman gearbeitet hätten?“
„Tun? Ich bin davon ausgegangen, Sie würden das Cottage hübsch sauber halten und vielleicht unsere Kleider in einem Eimer waschen und sie auf einer Wäscheleine in die Sonne hängen.“ Er lächelte verträumt vor sich hin. „Ihr Haar hat einen ganz leichten Rotschimmer, der nur zu sehen ist, wenn Sonnenlicht darauf fällt.“
Gregor erstickte fast an seinem unterdrückten Lachen. Rot? Wie war Ravenscroft nur auf diesen Gedanken verfallen? Obwohl ... das Licht des Feuers zauberte tatsächlich rötliche Lichter in Venetias braunem Haar hervor. Seltsam, dass ihm das noch nie aufgefallen war.
Venetia beugte sich so weit vor, bis ihr Gesicht auf einer Höhe mit Ravenscrofts war. „Sie dachten, es würde mir Spaß machen, meine Kleider mit der Hand zu waschen und sie dann auf einer Wäscheleine aufzuhängen?“
Sein Lächeln verblasste ein wenig. „Ich dachte, es würde Ihnen nichts ausmachen, zu unserem Leben beizutragen, während ich das Buch schreibe.“
„Indem ich Ihre Wäsche aufhänge?“
„Und Ihre eigene. Und die unserer Kinder.“
Voller Entsetzen schloss sie die Augen.
„Ich weiß, was Sie jetzt fühlen“, erklärte er eifrig. „Sie sind überwältigt. Ebenso ging es mir, als mir klar wurde, was wir im Begriff standen zu tun. Wir werden nach Italien gehen, die Zivilisation hinter uns lassen und ein viel einfacheres Leben führen. Ein viel reineres und echteres. Und vielleicht“, fügte er naiv hinzu, „wenn Ihnen noch Zeit bleibt, könnten Sie einige der ortsansässigen Kinder als Schüler annehmen und sie in Musik und Englisch unterrichten. “
„Schüler“, wiederholte Venetia verblüfft. „Sie dachten, ich würde all das tun und außerdem auch noch Gouvernante werden?“
„Nur einige wenige Schüler“, erklärte er mit unsicherer Miene. „Ich würde nicht wollen, dass Sie sich überarbeiten.“ Inzwischen tat der Mann Gregor fast leid. „Venetia, du hast immer behauptet, es würde dir Freude machen, deinen Mitmenschen zu helfen ..."
„Kein Wort mehr, MacLean!“ Sie sah ihn nicht an, doch ihre eisige Stimme sagte alles.
Gregor rutschte auf seinem Stuhl ein wenig tiefer, verschränkte die Hände am Hinterkopf und lehnte sich zurück. „Ich sehe, ich habe Sie unterschätzt, Ravenscroft. Es ist höchst erstaunlich, wie genau Sie über Ihre Pläne nachgedacht haben, und ich entschuldige mich, dass ich annahm, Sie hätten sich Hals über Kopf und ohne genügende Vorbereitung in diese Sache gestürzt.“
Die Miene des jüngeren Mannes hellte sich auf. „Ich bin sicher, zunächst hört sich mein Plan wie eine törichte Idee an. So erschien es zu Beginn auch mir. Aber nach kurzem Nachdenken ... “
„Zweifellos mithilfe einiger Gläser Portwein“, vermutete Gregor.
„Nun ja. Es waren vier Gläser, um genau zu sein. Und nach diesen vier Gläsern ...“
Venetia presste sich die Hand gegen die Stirn.
„... wurde mir klar, dass Italien der richtige Ort für uns ist. Wenn ich erst einmal dort bin, wird mich die Muse küssen, das weiß ich, und ich werde genau wissen, wovon mein Roman handeln soll.“
„Haben Sie denn schon einen Teil dieses Roman geschrieben?“, erkundigte sich Gregor, und die Neugier in seiner Stimme war nicht zu überhören.
Am liebsten hätte Venetia mit einem ihrer Schuhe nach Gregor
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