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Enthuellung

Enthuellung

Titel: Enthuellung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Renee Jones
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drehe mich zu ihm um und begegne seinem durchdringenden Blick. Er weiß, dass ich seiner Frage ausweiche; ich sehe es in seinen Augen.
    »Ich weiß nicht, was da passieren kann. Das ist neu für mich«, erwidere ich.
    »Weil du fast nie gereist bist.«
    Es ist keine Frage, und diesmal bin ich mir sicher, dass wir nicht über das Wetter reden. Ich blinzle in seine unergründliche Miene hinein, und eine erwartungsvolle Stimmung liegt in der Luft. Die Antwort darauf, warum ich nie gereist bin, liegt mir auf der Zunge, aber ich scheine sie nicht über die Lippen zu bringen. »Richtig. Weil ich fast nie gereist bin.«
    Wir heben ab, und die Luftlöcher kommen sofort. Ich klammere mich an die Armlehne, diesmal mit weißen Knöcheln. Wieder legt sich Chris’ Hand auf meine, und ich seufze innerlich angesichts der beruhigenden Berührung.
    »Nur eine kleine Turbulenz«, versichert er. »Das wird sich geben, wenn wir über den Wolken sind.«
    Wie um seiner Behauptung zu trotzen, läuft ein Ruck durch das Flugzeug, und wir scheinen zu fallen. Ich versteife mich, mir stockt der Atem. »Bist du dir sicher, dass das normal ist?«
    »Ganz sicher.«
    »Okay.« Ich atme aus. »Ich vertraue dir in diesem Punkt.«
    »Aber nicht in jedem.«
    Sein Blick ist kühl, und ich frage mich, wie bald er sich mir verschließen wird. Wieder einmal fühle ich mich in die Ecke gedrängt. Wenn ich Chris alles sage, könnte ich ihn verlieren. Wenn ich mich ihm verschließe, könnte er sich mir gegenüber verschließen, wieder einmal. Es ist Zeit, einen Weg zu suchen, um ihm zu erklären, was mir das Leben zur Hölle gemacht hat.
    Das Flugzeug sackt abermals ab, und das Herz rutscht mir in die Hose.
    Ich ziehe meine Hand unter seiner hervor, hebe die Armlehne an und hoffentlich die sprichwörtliche Mauer, die uns trennt, ebenfalls. »Wir waren wie süße Haustiere«, sage ich und drehe mich in seine Richtung. »Er hat uns zu Hause gelassen und ist zu seinen vielen Geliebten gereist.«
    Verständnis zeigt sich in seinem Gesicht, und er wendet sich mir zu. »Wann hast du von den anderen Frauen erfahren?«
    »Sobald ich von zu Hause ausgezogen bin, um aufs College zu gehen. Das war der Moment, in dem mir die rosarote Brille, die meine Mutter mir aufgesetzt hatte, von der Nase gerutscht ist.«
    »Sie hat es gewusst.« Es ist keine Frage.
    »Oh ja«, bestätige ich. »Sie hat es gewusst.« Ich kann die Bitterkeit, die sich in meine Stimme geschlichen hat, nicht zähmen. »Wenn wir seine Haustiere waren, war sie sein Schoßhündchen. Sie war so in ihn verliebt, dass sie alles annahm, was sie von ihm bekommen konnte. Es war nicht viel.«
    Seine Miene ist nachdenklich und besorgt. »Wie wichtig war er in deinem Leben?«
    »Er war mein Idol, das niemals zu Hause war. Ich habe ihn angebetet, genau wie meine Mutter. Ich hatte keine Ahnung, dass wir seine Familie für den schönen Schein waren, um gut vor Geschäftspartnern dazustehen oder was immer sein Grund war, um uns zu behalten. Ich denke, es ging um Macht. Oder vielleicht hat er es getan, weil er es tun konnte. Oder weil er nicht wollte, dass meine Mutter all sein Geld bekam. Ich habe keinen Schimmer. Ich habe vor Jahren aufgehört zu versuchen, es herauszufinden. Es muss einen Grund geben, der für ihn einen Sinn ergab.«
    »Denkst du, deine Mutter wusste, warum?«
    »Ich glaube, sie hat sich eingeredet, dass er sie liebte. Sie war blind vor Liebe.«
    »Versteh das nicht falsch«, warnt er mich sanft, »aber ging es um Liebe oder um Geld?«
    Ich hasse diese Frage, die ich mir tausendmal selbst gestellt habe, ohne sie zu beantworten. »Ich weiß nicht, was in ihrem Kopf vorging. Die Mutter, von der ich dachte, ich würde sie kennen, war nicht die, die ich sah, nachdem ich die rosarote Brille abgenommen hatte.« Ich schüttle den Kopf. »Nein. Ich hatte zumindest niemals das Gefühl, dass es ihr um Geld ging.« Ich versetze mich in die Vergangenheit. »Sie hat alles aufgegeben, was sie liebte, bis auf das Malen. Wenn er zu Hause war, hat sie ihre Arbeiten und Utensilien versteckt.«
    »Du hast gesagt, sie habe deine Liebe zur Kunst entfacht?«
    Ich nicke. »Ja. Absolut.« Ich stoße einen schweren Seufzer aus und versuche, der Enge in meiner Brust entgegenzuwirken. »Rückblickend war es eine Missbrauchsbeziehung, beinahe wie das Stockholm-Syndrom, bei dem der Gefangene seinen Peiniger bewundert.«
    Das Flugzeug sackt abermals ab, und ich greife nach Chris’ Hand. Während ich seine Stärke und Ermutigung

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