Enthuellung
die Behindertentoilette direkt vor mir an und verschließe die Tür. Meine Beine sind wackelig, und ich lehne mich an die Wand gegenüber. Ich bin an einem Punkt, an dem alles in meinem Leben aufeinanderprallt und es zerstören wird. Ich sehe mich, wie ich eine Toilette anstarre und versuche, nicht daran zu zerbrechen. Irgendwie ist es absolut passend.
Der Abend von vor zwei Jahren holt mich ein. Ich sehe, wie Michael mich zu meinem Hotel zurückfährt und zur Tür begleitet. Wie sanft und süß er gewirkt hat. Ich hatte ihn eingeladen, um zu reden. Nur um zu reden, hatte ich gesagt.
Sobald die Tür zufiel, hat sich alles verändert. Er ist zornig geworden und hat mich beschimpft, weil ich gegangen war, weil ich ihn hatte schlecht aussehen lassen. Ich kann beinahe den Augenblick spüren, als er mich gegen die Wand geschleudert hat und sein Körper über meinem war, und seine Hände waren überall. Wieder beginne ich zu zittern und kann nicht aufhören. Ich schlinge die Arme um mich und verdränge die Erinnerungen. Meine Augen kribbeln, und ich unterdrücke die Tränen. Ich werde Michael nicht die Befriedigung verschaffen, mich zum Weinen zu bringen. Ich muss auf den Empfang zurückgehen und präsentabel aussehen. Ich muss lächeln. Ich muss diesen Abend überstehen, ohne ihn Chris zu verderben.
»Sara!«
Es ist Chris’ Stimme, und ich kann nicht glauben, dass er in der Damentoilette ist. Er tut nie das, was ich erwarte oder was normalerweise als akzeptabel betrachtet wird. Und er ist in meinen schlimmsten Augenblicken immer da. Immer. Die einzige Person, für die das je gegolten hat.
»Sie ist in der hinteren Kabine«, erklärt die Frau am Waschbecken.
»Können Sie uns eine Minute geben?«, bittet er.
»Ich werde die Tür im Auge behalten«, erwidert sie. Sie kennt ihn offensichtlich. Na toll. Es gibt bereits jemanden, der der ganzen Welt von einem Zwischenfall mit Chris’ Date heute Abend erzählen kann.
»Sara.« Seine Stimme ist eine weiche Liebkosung, ein Versprechen, dass er für mich da ist, vielleicht zum letzten Mal.
»Du darfst nicht hier drin sein, Chris.« Und verdammt, meine Stimme bricht.
»Mach die Tür auf, Baby. Ich muss dich sehen.«
»Ich kann nicht. Ich kann die Tür nicht öffnen.«
»Warum nicht?«
»Weil ich dann weine und mein Make-up verschmiert.«
»Lass mich rein, Sara.« Seine Stimme ist sanft, aber beharrlich.
»Bitte, Chris. Ich bin in einer Minute draußen, und es wird mir gut gehen.« Aber ich klinge nicht gut. Meine Stimme ist angespannt und kaum wiederzuerkennen.
»Du kennst mich. Ich werde nicht fortgehen, ohne dass du mir sagst, was los ist.«
Du kennst mich.
Ich kenne ihn tatsächlich, und ich weiß, wie viel Vertrauen und Privatsphäre ihm bedeuten. Ich habe ihn nicht nur belogen, er hat mich auch in seine Welt gelassen, und Michael wird es öffentlich machen.
»Sara.« Da ist ein Drängen in der Art, wie er meinen Namen sagt, ein sanfter Befehl, aber trotzdem ein Befehl.
Er wird nicht weggehen. Er ist einfach lächerlich halsstarrig. Ich schließe die Tür auf und trete zurück an die Wand, sage mir, dass ich eine weitere Lüge erfinden muss, um ihn durch diesen Abend zu bringen, um ihn zu beschützen. Sobald wir wieder im Hotel sind, werde ich ihm alles erzählen. Das ist mein Plan, aber ich scheitere kläglich. Sobald ich Chris sehe, meinen brillanten, beschädigten, umwerfenden Künstler, der mich in sein Leben geführt hat und den ich gleich verlieren werde, lasse ich mich fallen. Meine Beine geben nach, ich sinke zu Boden, und Tränen brechen aus einem tiefen, verborgenen Ort hervor, dem ich mich nie geöffnet habe, von dessen Existenz ich jedoch wusste.
Chris hockt sich vor mich hin, und seine Hände sind auf meinen Schultern, stark und sicher, und ich weine nur umso mehr. Ich kann dem Wasserfall nicht Einhalt gebieten. Chris lehnt sich an die Wand und zieht mich an sich. »So sollte das nicht passieren.«
»So sollte was nicht passieren?«, fragt er, streicht mir übers Haar und drängt mich mit einem Finger unter meinem Kinn, ihn anzusehen. »Es geht um den Mann, mit dem ich dich habe reden sehen, nicht wahr?«
»Michael.« Mein Magen verkrampft sich, einfach nur, weil ich seinen Namen sage. »Das war Michael. Ich …« Ich hole tief Luft, um mir Mut zu machen, und stürze mich in mein Geständnis. »Es gibt Dinge, die ich dir nicht erzählt habe. Ich hatte es vor. Ich wollte es tun. Ich wusste, dass ich es tun muss, aber ich habe einfach … ich
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