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Entmündigt

Entmündigt

Titel: Entmündigt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Klinik abgeholt wurde. Eine Schwester und deren Mann waren mit ihrem Wagen gekommen. Sie umarmten Frau Paulis lachend, obwohl ihnen die Tränen in den Augen standen. Ludwig stand ruhig dabei. Sein mächtiger Kopf hing auf den Boden. Erst als Frau Paulis in den Wagen stieg, sprang er hinterher. Die Türen klappten zu … langsam fuhr der Wagen auf dem Anfahrtsrondell einen Kreis und glitt über die breite Allee hinaus zum Tor.
    Geheilt? dachte Maggfeldt. Oder nur gebessert? Was wird sein, wenn der Hund Ludwig stirbt? Wenn er überfahren wird? Wenn gute Nachbarn ihn vergiften? Werden wir dann Frau Paulis hier wiedersehen …?
    Er trat vom Fenster zurück und knöpfte seinen Arztkittel zu. Visite. Große Visite in allen Stationen.
    Nie hört die Begegnung mit dem Rätsel des Irreseins auf …
    Zimmer 12. Gisela Peltzner.
    Seit drei Tagen weinte sie. Fast ununterbrochen. Man hatte ihr in vorsichtigen Dosen ein Antidepressivum gegeben, 100 Milligramm Tofranil. Es bewirkte keine Besserung im Allgemeinbefinden, nur der Kreislauf kräftigte sich. Oberarzt Dr. Pade hatte eine Aussprache mit ihr versucht … sie schluchzte nur und weinte weiter.
    Maggfeldt trat schnell ein, ohne anzuklopfen. Gisela saß im Bett und schrieb. Als sie den Professor sah, versteckte sie den Bogen Papier schnell unter der Decke und legte sich zurück. Maggfeldt schloß die Tür. Sein Blick, den er dabei nach draußen auf den Flur warf, befahl: Draußenbleiben! Dr. Pade, die Stationsärzte und Schwestern blieben vor der Tür stehen.
    »Guten Tag«, sagte Maggfeldt freundlich und setzte sich zu Gisela aufs Bett. Sie hatte ihre langen blonden Haare aufgesteckt. So sah ihr Gesicht strenger aus, älter und verschlossener. Es schien Maggfeldt, daß nach den Phasen des Bittens, des Erklärens, der Resignation nun die viel gefährlichere Phase des Widerstandes in Gisela heranreifte.
    »Sie haben geschrieben?« fragte er und sah auf die Bettdecke, unter der der Bogen Papier verborgen lag.
    »Nein …«
    Die Blicke Giselas und Maggfeldts trafen sich.
    »Kann ich einmal den Zettel sehen?« fragte er.
    »Nein.« Giselas Augen waren hart. »Sie haben kein Recht mehr, mich zu fragen, mich um etwas zu bitten, mir mit schönen Worten zu erklären, daß ich gesund sei, aber nur zu meiner Beruhigung hier lebe. Sie sind ein Mensch wie mein Onkel! Sie halten mich als Gesunde in einer Irrenanstalt gefangen … entweder, weil Sie Geld bekommen haben oder weil Sie wirklich nicht imstande sind, zu erkennen, daß ich normal bin … Beides ist ein gleich großes Verbrechen an mir! Ich will einen Anwalt sprechen …«
    Professor v. Maggfeldt nickte. »Ihren Dr. Budde?«
    »Nein. Nicht ihn!« Über Giselas Gesicht flog ein wildes Zucken. Plötzlich warf sie den Kopf zurück in die Kissen, sie verkrampfte die Finger in die Federn, und dann weinte sie wieder, haltlos, untröstbar, nicht mehr ansprechbar …
    Der Professor verließ das Zimmer. Auf dem Flur trat Oberarzt Dr. Pade auf ihn zu. Maggfeldt nahm ihn zur Seite.
    »Übermorgen versuchen wir, sie aus ihrer Verkrampfung zu lösen. Was halten Sie von einer großen Schlafkur?«
    Dr. Pade hob die Schultern. »Sie kann nicht schaden.«
    Maggfeldt sah auf die geschlossene Tür des Zimmers 12.
    »Ich will einen Weg frei haben zur psychischen Behandlung. Ich glaube nicht an ein manisch-depressives Irresein. Hier sind zusammengeballte Psychosen, die man psychoanalytisch fassen könnte, wenn man nur einen winzigen Teil dieser zweiten Seelenhaut abheben könnte. Und das wollen wir versuchen …«
    Dr. Pade nahm das Visitenbuch und drückte die Mine seines Kugelschreibers heraus.
    Peltzner … schrieb er … Dauerschlaf. Morgen Vorbereitung mit hohen Einläufen, leichten Speisen lt. Plan, Herz- und Kreislaufüberwachung, unterstützende Indikationen …
    Gegen Abend, als Gisela, erschöpft vom Weinen, eingeschlafen war, hob die Stationsschwester die Bettdecke hoch und zog unter Giselas Körper vorsichtig den zerknüllten Zettel hervor. Maggfeldt, der draußen im Flur stand, glättete das Papier auf der Fensterbank und ging dann mit dem Zettel unter das Flurlicht.
    Nur drei Zeilen waren es.
    »Ich liebe dich doch … warum liebst du mich nicht mehr, warum hast du mich verlassen …«
    Nachdenklich steckte Maggfeldt den Zettel ein und ging zu seinem Oberarzt.
    »Wo wohnt dieser Dr. Budde eigentlich, der angebliche Verlobte Fräulein Peltzners?«
    »Ich weiß nicht, Herr Professor.«
    »Stellen Sie das bitte fest, Pade. Es könnte

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