Entmündigt
vielleicht wichtig werden …«
*
Vier Tage wartete Peltzner in London auf den Besuch Dr. Buddes in Fellgrubs Wohnung.
Er wußte nicht, daß Budde nach Calais gefahren war, um dort seinen Freund Dr. Hartung zu treffen, der von Cannes aus an die Atlantikküste geflogen kam. Das Telegramm, das Budde erhalten hatte, war so unverständlich, daß er Dr. Hartung – wiederum mit Telegramm – nach Calais beordert hatte.
Die Depeschen lauteten:
›Schwiegervater Ewald auf dem Weg nach London + Werde in seine Firma eintreten + Gerd +‹
Und Budde antwortete:
›Sofort nach Calais kommen + Verstehe nichts + Hotel Dover + Ist denn alles idiotisch + Klaus +‹
Endlich, am fünften Tag des Wartens, als Ewald Peltzner sich entschlossen hatte, abzureisen, schellte es an der Wohnungstür.
Das ist er nicht, dachte Peltzner. Heinrich sagt, er kommt mit einem Dietrich in die Wohnung. Es wird ein Brief aus Deutschland sein … die Klage Annas über das Erscheinen Heinrichs in ihrem Butler-Idyll.
Mit einem forschen Ruck öffnete er die Tür. Im Treppenhaus stand Dr. Budde. Dies überraschte Peltzner so, daß er einige Sekunden brauchte, um das richtige Wort zu finden. Er trat zur Seite und gab den Weg in die Wohnung frei.
»Ich habe Sie erwartet!« sagte er dumpf.
»Ich weiß.« Dr. Budde ging an ihm vorbei in das Wohnzimmer. »Im voraus eins: Es wäre eine Illusion, wenn Sie annähmen, ich käme heimlich zu Ihnen. Wenn ich mich in einer Stunde nicht bei der Polizeiwache dieses Reviers melde, wird der Konstabler Sie verhaften. Es hat also keinen Sinn, sich bei unserer kommenden Aussprache auf Ihre Pistole zu verlassen …«
Ewald Peltzner ging auf diesen Ton seines Besuchers nicht ein. Er schloß hinter Dr. Budde die Tür des Wohnzimmers und setzte sich auf die Couch. Erst dann, begleitet von einem Kopfschütteln, antwortete er. Er war sehr sicher.
»Was soll das eigentlich, Dr. Budde?« fragte er. »Sie kommen nach London, wollen meinen Neffen weichkneten und benehmen sich wie in einem Wallace-Roman. Das ist doch kindisch, sehen Sie das nicht ein? Was wollen Sie eigentlich erfahren? Daß Gisela nicht gemütskrank ist? Das dürfte schwerfallen. Sie sind Laie, wie wollen Sie das beurteilen? Selbst ich wollte es ja nicht glauben, als ich die erste Diagnose las …«
»Lassen wir dieses widerliche Spiel, Herr Peltzner.« Dr. Budde blieb am Fenster stehen. »Ich weiß, daß Sie Gisela für irre erklären ließen, um an das große Erbe Ihres Bruders heranzukommen. Sie mußten das Geld haben, denn das Wasser stand Ihnen bis zum Hals! Spielschulden, Geliebte mit eigenen Appartements, Schiebungen, Fehlspekulationen an ausländischen Banken … das alles machte einen Betrag aus, der nur mit dem Erbe zu decken war!«
»Sie phantasieren!« Ewald Peltzner rauchte eine Zigarre an und blies das Streichholz aus. »Niemand nimmt Ihnen das ab!«
»Noch nicht! Aber Sie wissen, daß ich die Zahlen in der Hand habe. Die kurze Zeit meiner Tätigkeit in den Peltzner-Werken hatte genügt, um das Material zusammenzustellen. Vielleicht ist's nur ein kleiner Teil … aber auch der reicht aus. Sie kennen genau den Safe, in dem ich das dünne Aktenstück verwahrte.«
Peltzner sah dem Ring nach, den er kunstvoll mit runden Lippen aus dem Rauch der Zigarre geformt hatte. Mit dem Zeigefinger fuhr er nun in den Ring und zerstörte ihn.
»Sie können diese Zahlen nie belegen. Man wird Sie auslachen. Ich habe keinen Prüfer zu fürchten …«
»Nun nicht mehr. Das Erbe war fett genug, alle Differenzen auszugleichen.«
»Was wollen Sie denn eigentlich?«
»Ich will, daß Gisela aus der Irrenanstalt herauskommt. Sie haben an ihr ein hundsgemeines Verbrechen begangen.«
»Man sollte Sie dazusperren, Dr. Budde … Wie können Sie mich für den labilen Seelenzustand meiner Nichte verantwortlich machen? Lächerlich! Drei Ärzte haben bescheinigt, daß …«
»Man kann einen Menschen zum Geisteskranken stempeln …«
»Sagen Sie das mal laut den Medizinern!«
»Gisela wäre nicht der erste Fall. Ich kann Ihnen aus der medizinischen und kriminologischen Literatur genug Fälle von völlig Gesunden anführen, die jahrelang in Irrenhäusern festgehalten wurden, verbrecherisch oder fahrlässig. – Das ist also kein Argument, Herr Peltzner!« Dr. Budde stieß sich von der Fensterbank ab und kam auf Peltzner zu.
Peltzner nahm seine Zigarre in die andere Hand, griff in die Rocktasche und legte eine Pistole auf den Tisch. Dr. Budde blieb stehen.
»Das war
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