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Entmündigt

Entmündigt

Titel: Entmündigt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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mich nicht betrügen!« schrie er. »Ich werfe!«
    »Gut! Werfen Sie!« Maggfeldt stellte sich hinter ihn. Zwei Wärter warteten im Hintergrund mit einer Megaphenspritze. »Aber wehe, wenn es danebengeht!«
    Der Schizophrene sah zu Maggfeldt zurück. In seinen Augen stand Angst. Dann riß er seinen Körper herum, lief an, warf die Kugel, blieb auf einem Bein balancierend stehen und starrte der Kugel nach.
    Jetzt … jetzt … der Aufprall … es donnerte dumpf über die lange Bahn …
    »Alle neune!« schrie der Kranke. »Alle neune!« Er hüpfte im Kreis, schrie und lachte, fuchtelte mit den Armen und verzerrte sein Gesicht zu einer schrecklichen Grimasse.
    »Gratuliere!« sagte Maggfeldt. »Das war ein Meisterwurf!«
    Der Schizophrene tanzte auf den Professor zu.
    »Ich hab's gewußt! Ich hab's gewußt!« schrie er in fast furchterregender Fröhlichkeit. »Aber du hättest mich eingesperrt, wenn ich danebengeworfen hätte, was? Du hättest mich glatt eingesperrt! Und geschockt hättet ihr mich, was, ihr Hunde! Ihr weißen Teufel!«
    Er sprang plötzlich Professor v. Maggfeldt an, warf die Finger wie eine eiserne Klammer um seinen Hals und drückte ihm die Kehle mit unmenschlicher Kraft zu.
    Maggfeldt hatte keine Zeit mehr, sich zu wehren oder auszuweichen. Ehe er begriff, was geschah, löste sich die Welt vor seinen Augen schon in Punkte auf, die rasend umeinander jagten.
    Zwei Pfleger und zwei Ärzte waren herbeigesprungen. Sie rissen den Psychopathen an den Händen und Armen, versuchten den Würgegriff zu lockern, schlugen ihm ins Gesicht, stießen, kniffen ihn … der Irre ließ den Hals nicht los, es war, als spüre er in seiner Erregung überhaupt keine Schmerzen …
    »Hunde!« brüllte er grell. »Teufel! Folterknechte! Bestien! Geschockt hättet ihr mich, wenn ich Pech gehabt hätte …«
    Ein Assistenzarzt sah Maggfeldts hervorquellende Augen. Das eiserne Gesetz der Park-Klinik, nie mehr Gewalt als unbedingt nötig anzuwenden, sondern die Kranken mit Liebe zu behandeln, konnte in diesem Augenblick keine Gültigkeit beanspruchen. Mit beiden Fäusten hieb er dem Tobenden gegen die Schläfen und dann mit der Handkante gegen die Halsschlagader.
    Ächzend brach der Tobsüchtige zusammen. Neben ihm glitt Maggfeldt zu Boden. Die Pfleger hoben ihn auf, trugen ihn in den Nebenraum und legten ihn auf eine der Tragbahren, die man für die Kranken bereitgestellt hatte. Einer der Stationsärzte massierte ihm den Hals, gab ihm eine Kreislaufinjektion und drückte wie bei einem Ertrunkenen den Brustkorb Maggfeldts rhythmisch zusammen.
    Unterdessen rollte man den Irren weg, den man mit Scopolamin ruhiggestellt hatte. Wenn er aufwachte, würde er von nichts mehr wissen. Und er würde es auch nicht glauben, wenn man es ihm erzählte. »Unmöglich, so etwas liegt mir gar nicht …«
    Oberarzt Dr. Pade wurde telefonisch von der Kontrolluntersuchung der schlafenden Gisela weggerufen. Er kam außer Atem in der Kegelbahn an, als Professor v. Maggfeldt gerade aus seiner Ohnmacht erwacht war und ein Glas Orangensaft trank.
    »Das war der erste und letzte Kegelabend, Herr Professor!« keuchte er. Er setzte sich neben Maggfeldt auf die Bahre und fühlte den Puls. Der Professor entzog ihm das Handgelenk.
    »Wo denken Sie hin, Pade? Nächste Woche machen wir weiter …« Maggfeldt richtete sich auf, stellte die Beine auf den Boden und rieb sich den rot angeschwollenen Hals.
    »Es wird zu weiteren Zwischenfällen kommen! Heute waren Sie das Opfer … beim nächstenmal gehen die Kranken aufeinander los und zerfleischen sich! Sie haben ja keine Bremse mehr …«
    »Es ist nur eine Sache der Erziehung.« Maggfeldt hatte sich zu den Ärzten gewandt, die um ihn herumstanden. Er sah in ihren Augen Zweifel, Ablehnung und Besorgnis. Maggfeldt lächelte schwach. »Wir wären schlechte Nervenärzte, wenn wir uns nur darauf beschränkten, die Kranken zu schocken, zu spritzen und immer gedämpft zu halten. Früher war das die einzige Therapie. Isolierung und Ruhighalten, bis sie eingingen. Meine Herren … auch unsere Geisteskranken sind Menschen! Sind Sie nicht Nervenärzte geworden, weil Sie noch Idealisten sind, weil Sie an den Rest des Guten im Menschen glauben? Unsere Pflicht ist es, diesen Menschen zu zeigen, daß sie trotz ihrer Krankheit doch noch Menschen sind … Das ist eines der unerklärbaren Wunder der Psychiatrie, daß der Irre wieder menschlich wird, wenn er erkennt, daß er ein Mensch ist …«
    Maggfeldt erhob sich von seiner

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