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Entrissen

Entrissen

Titel: Entrissen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tania Carver
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Apartment sie auf das vorbereitet haben würde, was im Haus der Eades auf sie wartete, aber das war ein Irrtum gewesen. Nichts hätte sie jemals darauf vorbereiten können. Sie hatte Claires Wohnung gesehen, nachdem die Leichen fort waren. Sie hatte die Tatortfotos studiert und versucht, beides miteinander in Einklang zu bringen. Es war nicht annähernd dasselbe.
    Plötzlich fiel ihr ein Erlebnis aus ihrer Kindheit wieder ein. Damals hatte ihre Mutter ihr die Haare immer über dem Waschbecken gewaschen und es mit warmem Wasser aus einem Krug ausgespült. Irgendwann sollte sie in der Schule Schwimmunterricht bekommen. Marina war noch nie zuvor in einem Schwimmbad gewesen und hatte sich vorgestellt, dass das Wasser dort so angenehm sein würde wie damals zu Hause. Allerdings hatte sie feststellen müssen, dass dieses sanfte Gefühl nichts mit dem zu tun hatte, was man empfand, wenn man kopfüber ins Becken sprang. Das schiere Gewicht und der Druck des eiskalten Chlorwassers auf ihren Körper hatten sie überwältigt und nach unten gezogen. Sie hatte das Gefühl gehabt, als würde sie gleichzeitig erfrieren und ertrinken.
    Als sie nun das Haus betrat, war es genau dasselbe Gefühl. Die Fotos, Claire Fieldings Apartment - das alles waren bloß Trockenübungen gewesen. Jetzt sah sie aus nächster Nähe, wie ein geordnetes Leben auseinandergerissen und auf brutalste Art zerstört worden war. In der Atmosphäre des Hauses spürte sie die Gewalt, den Hass und - es gab kein anderes Wort dafür -den rasenden Wahnsinn der Tat. Es war, als hätte sich zäher Nebel über alles gelegt, und er wollte sich nicht lichten. Ihre Beine gaben nach, und sie taumelte. Phil sah sie besorgt an. »Alles klar?«
    Sie nickte, wich jedoch seinen Blicken aus.
    Die Eingangshalle glich einem Schlachtfeld. Auf der beigegoldenen Tapete waren überall blutige, verwischte Handabdrücke zu sehen, Anzeichen eines verzweifelten Kampfes, den sie sich nur zu gut vorstellen konnte. Das Knirschen zerbrochenen Glases unter ihren Füßen und eine zerborstene Deckenlampe lieferten weitere Anhaltspunkte - aber es waren die Blutspritzer an Wänden, Decken und Fußboden, die dokumentierten, was sich hier abgespielt hatte: Sie sah, wie das Messer zustach, wie es die Haut durchstieß, Muskeln und Sehnen durchtrennte, wie hellrotes arterielles Blut aus der Wunde spritzte ...
    »Bist du sicher?«
    »Ja.« Ihre Kehle war heiß und trocken, ihre Stimme klang brüchig.
    Er blieb einige Sekunden vor ihr stehen, doch sie schob sich an ihm vorbei. »Schauen wir uns ... auch den Rest an.«
    Er betrachtete sie noch einmal forschend, beschloss dann aber, sie beim Wort zu nehmen, und folgte ihr. »Hier muss es zum Kampf gekommen sein«, sagte er. »Sie öffnet die Tür, und er ... was macht er? Schlägt er sie nieder? Geht er gleich mit dem Messer auf sie los?« Er betrachtete den Teppichboden. Die Blutflecken im Flur waren nummeriert, Proben fürs Labor bereits entnommen worden.
    »Sieht so aus«, sagte Anni. »Aber wieso? Das ist anders als beim letzten Mal.«
    »Serienmörder ...« Marina holte tief Luft. »Serienmörder machen das manchmal so.«
    »Serienmörder?« Phil stutzte. »Sprechen wir jetzt offiziell von der Tat eines Serienmörders?«
    »Glaubst du, es gibt noch Zweifel?«, fragte Marina zurück.
    »Und es ist ausgeschlossen, dass Brotherton es getan haben könnte, bevor wir ihn verhaftet haben?«, wollte Anni wissen.
    Phil schüttelte den Kopf. »Mehr als unwahrscheinlich.«
    »Also, warum ist er diesmal anders vorgegangen?«, kehrte Anni wieder zu ihrer ursprünglichen Frage zurück. »Unser Serienmörder? Um uns in die Irre zu führen? Uns glauben zu machen, dass die Tat auf das Konto eines anderen geht?«
    »Könnte sein«, meinte Marina zögernd. »Das ist durchaus schon vorgekommen. Oder er hat eine andere Arbeitsweise gefunden. Eine Methode, die ... die ihm mehr liegt.«
    »Lasst uns nachsehen, wo er sie aufgeschnitten hat«, sagte Phil. »Vielleicht gibt uns das einen Hinweis.«
    Sie folgten der blutigen Spur bis ins Wohnzimmer. Phil ging voran. Und blieb dann wie angewurzelt stehen.
    »Oh Gott...«, sagte Marina leise. »Oh nein ...« Sie schloss ihre Augen, doch das Bild hatte sich ihr schon eingebrannt.
    Was von Caroline Eades' Körper noch übrig war, lag in der Mitte des Raumes auf dem Fußboden. Ihr Bauch war von der Leiste bis hinauf zu ihren Brüsten brutal aufgeschlitzt und der Fötus entfernt worden. Das allein war schon grauenhaft genug, aber der

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