Entrissen
Phil wissen. »Wie ist dein Eindruck?«
Marina betrachtete die Leiche weiter und dachte nach. Phil und Anni warteten geduldig. »Ich glaube nicht, dass wir es mit einer Eskalation in dem Sinne zu tun haben, dass er die Kontrolle über seine Handlungen verliert«, sagte sie schließlich. »Aber dieser Mord ist äußerst brutal, und er ist direkt auf den letzten gefolgt. Normalerweise vergeht eine gewisse Zeitspanne zwischen zwei Taten. Der Täter kommt zur Ruhe und erfreut sich an seinen Trophäen, bis der Drang zum Töten sich erneut in ihm aufbaut. So etwas sehe ich hier nicht.«
»Warum nicht?«, fragte Phil.
»Weil ...« Plötzlich kam Marina ein Gedanke. Sie spürte eine kalte Leere in ihrem Innern. »Das Baby ist tot. Claire Fieldings Baby. Das muss es sein. Deswegen hat er so schnell wieder zugeschlagen. Er wollte Ersatz beschaffen.«
»Und Caroline Eades' Baby könnte noch am Leben sein?«, wollte Anni wissen.
»Das kann ich nicht sagen, aber ich hoffe es. Ja, ich denke schon.«
»Und die Position, in der er die Leiche zurückgelassen hat?«, wollte Phil wissen.
»Belanglos. Er hat, was er wollte, und macht sich davon.«
»Das bestätigt also unsere These«, meinte Phil, »dass er nicht hinter den Frauen an sich her ist, sondern hinter ihren Babys.«
»Korrekt.« Marina nickte. »Die Frau ist bloß ein ... Gefäß. Ein Wirtstier. Was mit ihr geschieht, ist ihm egal. So wie es einem egal ist, was aus der Eierschale wird, nachdem man ein Ei aufgeschlagen hat.«
Phil und Anni schluckten angesichts dieses Vergleichs.
Irgendwann wandte Marina sich an Phil. »Können wir jetzt bitte wieder rausgehen?«
»Natürlich.«
Sie traten vor die Tür. Marina traute ihren Augen nicht:
Ganze Heerscharen weißbekleideter Polizisten bevölkerten die vor kurzem noch so friedvolle Vorstadtstraße. Es sah aus, als sei in der Nähe ein Chemieunfall passiert. Haus und Umgebung wurden nach Spuren abgesucht. Die Nachbarn wurden befragt. Am Ende der Sackgasse war ein mobiles Einsatzzentrum eingerichtet worden, in dem die Leute anonym Hinweise abgeben konnten. Nick Lines und sein Team von Pathologen waren eingetroffen.
Am Ende der Straße, hinter der Absperrung, lauerte die Presse. Die Scheinwerfer ihrer Kameras zusammen mit dem gleißenden Licht der Bogenlampen schufen eine unwirkliche Atmosphäre, wie ein Filmset während eines Nachtdrehs. Die Reporter wurden allmählich unruhig, sie hofften auf einen kurzen Blick, eine aufgeschnappte Bemerkung, eine winzige Unachtsamkeit, die ihnen zu einer Story verhelfen würde.
Phil blieb stehen und wandte sich an Anni. »Sie sind für die Beweiskette zuständig. Fahren Sie nachher mit in die Gerichtsmedizin. Ich will eine Aufstellung, wer wann wo war - und zwar für Graeme Eades, Caroline Eades und für diese Erin. Letztere muss ausfindig gemacht und vernommen werden. Vielleicht wollte sie ein Baby, und er hat sich geweigert, ihr eins zu machen. Die Kriminaltechnik soll eine Nachtschicht einlegen, ich will, dass alles ganz genau überprüft wird. Er muss irgendeine Spur hinterlassen haben, er muss einfach ...«
»Und wer soll das alles machen?«, erkundigte sich Anni.
Phil seufzte. »Ich wünschte, Clayton wäre noch dabei. Na ja, die Birdies müssten bald hier sein. In der Zwischenzeit hänge ich mich ans Telefon und sehe zu, dass wir alle verfügbaren Kräfte hierherbekommen.«
Marina sah erneut zur Pressemeute hinüber. Blitzlichter leuchteten auf. »Wir hätten Ben Fenwick mitbringen sollen«, meinte sie zu Phil. »Er hätte sie gebändigt.«
»Tja, hin und wieder hat er wohl doch seinen Nutzen.«
»Irgendetwas werden wir ihnen sagen müssen«, meinte Anni.
Phil nickte und sah sie an. »Würdet ihr zwei das übernehmen?«
Anni und Marina tauschten einen überraschten Blick.
»Also, ich weiß nicht, Boss«, sagte Anni. »Das ist eigentlich nicht so mein Ding ...«
»Sie haben doch am Seminar
Umgang mit den Medien
teilgenommen, Sie schaffen das schon«, sagte Phil bestimmt. Seine Idee schien ihm immer besser zu gefallen. »Genau. Sie beide gehen zusammen. Anni, Sie erzählen ihnen, was passiert ist - keine Details -, und dann, Marina, könntest du vielleicht direkt in die Kamera einen Appell an den richten, der das Baby hat...« Er zuckte mit den Achseln. »Bitte ihn, es zurückzugeben oder sich bei uns zu melden, damit wir ihm helfen können, so in etwa. Dabei immer in die Kamera schauen.«
»Glaubst du, das wird etwas nützen?«, fragte Marina.
»Schaden kann es
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