Entrissen
außer uns etwas an.« Er stellte seinen Becher auf dem Nachttisch ab und ließ sich in die Kissen zurücksinken. »Macht es dir denn etwas aus, wenn die Leute über uns reden?«
»Macht es dir etwas aus?«, fragte sie zurück.
»Vor vier Monaten hat es mir etwas ausgemacht. Die Gerüchte. Mir vorzustellen, was die anderen über uns gedacht haben.«
»Und jetzt?«
Er wirkte nachdenklich. »Vielleicht sollten wir für die Dauer der Ermittlungen vorsichtig sein. Es wäre doch ärgerlich, wenn uns das jemand vorhalten würde, wenn wir keine Ermittlungsergebnisse liefern. Aber ansonsten - nein, es macht mir nicht das Geringste aus.«
Sie kuschelte sich an ihn. »Gut.«
Eine Weile lagen sie schweigend da und dösten, fühlten sich in der Nähe des anderen geborgen.
»Also«, meinte er schließlich. »Und was jetzt?«
»Ich werde ihn verlassen«, verkündete Marina. Die Worte überraschten sie, waren wie eine Idee, die durch das Aussprechen Wirklichkeit wurde. Tatsächlich hatte sie nicht gewusst, was sie vorhatte, bis sie es gesagt hatte.
»Wegen mir?«
Wieder Schweigen. Dann bemerkte Marina: »Wir werden sehen.«
Phil nickte. Sagte nichts darauf. Irgendwann sah er auf die Uhr. »Wir sollten uns auf den Weg machen.« Er warf die Decke zurück, stieg aus dem Bett und hob den Bademantel vom Boden auf. »Willst du zuerst duschen?«
»Nein, geh du nur.«
Er ging zur Tür, drehte sich aber noch einmal um, bevor er sie erreicht hatte. »Ich ... hör zu. Ich habe ernst gemeint, was ich gesagt habe. Gestern Abend. Ich werde dich nicht wieder im Stich lassen.«
»Gut.«
»Okay.«
Er verschwand im Bad.
Marina nahm sich ihren Kaffee vom Nachttisch und trank. Sie hörte das Rauschen der Dusche. Sie streichelte ihren Bauch, spürte, wie das Baby sich in ihr bewegte. Bald würde sie mit Phil noch über etwas anderes reden müssen ...
Sie trank ihren Kaffee aus und stieg aus dem Bett. Das würde alles warten müssen.
Zuerst musste sie ein Monster fangen.
60
»Phil? Telefon für Sie.«
Phil sah von seinem Schreibtisch auf, wo er Notizen und Fotos zusammensuchte, um sich auf das morgendliche Briefing vorzubereiten. Adrian hielt den Hörer seines Apparats in der Hand und gestikulierte. Phil formte die Worte Wer
ist es?
mit den Lippen. Adrian antwortete lautlos:
Anwalt.
Phil nahm den Anruf auf seinem Apparat an. »Detective Inspector Phil Brennan.«
»Guten Morgen, Detective Inspector«, meldete sich eine Frauenstimme. »Sie leiten die Ermittlung im Fall der toten Babys?«
Phil bejahte.
»Linda Curran von Hanson, Warnock und Gallagher.« Sie machte eine Pause, als gehe sie davon aus, dass er wusste, wer sie war. Und er wusste es tatsächlich, auch wenn er ihre Stimme am Telefon nicht gleich erkannt hatte. Er hatte bereits oft mit der Kanzlei zu tun gehabt, auch mit Linda.
»Hallo, Linda, wie kann ich Ihnen helfen?«
»Ich vertrete Ryan Brotherton, und ich muss Sie darüber in Kenntnis setzen, dass mein Klient mich angewiesen hat, gerichtliche Schritte gegen die Polizei von Essex und insbesondere Ihre Abteilung einzuleiten.«
Phils Miene wurde ernst. »Tatsächlich?«, fragte er.
»Ja«, erwiderte Linda Curran. Ihrem Tonfall nach zu urteilen, bereitete ihr die Überbringung dieser Nachricht keine große Freude; sie tat einfach nur ihre Pflicht.
»Ich bitte Sie, Linda«, sagte er unwirsch. »Das ist doch lachhaft. Was wirft er uns denn vor? Belästigung? Wie kommt er auf so etwas? Wir erheben Anklage gegen ihn wegen versuchten Mordes.«
Am anderen Ende der Leitung wurde mit Papier geraschelt. »Belästigung, unrechtmäßige Verhaftung, Nichtachtung grundlegender Persönlichkeitsrechte, Umsatzeinbußen und emotionale Belastungen.«
»Okay«, sagte Phil. »Gehen wir die Punkte im Einzelnen durch. Ist das möglich? Oder schadet das dem Fall?«
»Tun Sie sich keinen Zwang an.«
»Also. Belästigung. Brothertons Name ist mehrfach während unserer Mordermittlung aufgetaucht. Wir haben ihm in seiner Firma einen Besuch abgestattet, und als er meinen Sergeant angegriffen hat, haben wir ihn zur Vernehmung mit aufs Revier genommen. Offiziell verhaftet wurde er übrigens nie.«
»Sie behaupten, er habe Ihren Detective Sergeant angegriffen?«
»Mit >behaupten< hat das nichts zu tun. Er hat eine Tonne Altmetall über ihm ausgeschüttet. Nun ja, wenigstens hat er es versucht. Hat er das nicht erwähnt?«
Schweigen. Offensichtlich war Linda Curran von ihrem Klienten nicht über den Vorfall in Kenntnis gesetzt
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