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Entrissen

Entrissen

Titel: Entrissen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tania Carver
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irgendwie lieber gemocht als das neue. War das möglich? Mit dem neuen Baby stimmte alles. Es war groß und kräftig, in jeder Hinsicht perfekt. Und trotzdem empfand Hester nichts. Wie kam das?
    Sie hatte einmal irgendwo gelesen, dass manche Mütter ihr Kind ablehnten und keine Bindung zu ihm aufbauen konnten. Sie wurden dann depressiv - so depressiv, dass sie sich nicht mehr um das Baby kümmern wollten. Vielleicht war es das. Vielleicht lehnte sie das Baby ab. Vielleicht war es noch zu früh nach dem Tod des ersten Babys. Oder aber sie hatte einfach das Interesse verloren. Vielleicht fand sie Babys ganz einfach langweilig, und es war Zeit, etwas anderes auszuprobieren.
    Um sich abzulenken, schaltete Hester den Fernsehapparat ein. Dort liefen wieder die Nachrichten. Irgendetwas Neues schien passiert zu sein, denn der Reporter sah noch ernster aus als sonst, und der nette Polizist - der, den sie so mochte -, sprach wieder in die Kamera. Sie konnte allerdings dem, was er sagte, nicht recht folgen.
    Im Hintergrund klingelte das Telefon. Hester ging nicht gern ans Telefon, also schloss sie die Augen und rief nach ihrem Mann. Doch er gab keine Antwort, und das Telefon hörte und hörte nicht auf zu klingeln.
    Widerstrebend stand Hester schließlich auf und nahm den Hörer ab.
    Es waren keine guten Nachrichten.
    Nachdem das Gespräch beendet war, legte sie den Hörer zurück und stand wie gelähmt da. Ihr war, als hätte man sie geschlagen, mit der Faust mitten ins Gesicht. Und dieser Schlag hatte nicht nur höllisch weh getan, er hatte gleichzeitig auch ihre ganze Welt aus den Angeln gehoben. Sie schloss die Augen und versuchte, irgendwie damit klarzukommen. Öffnete sie wieder. Es war nicht besser geworden, nur noch schlimmer. In ihrem Kopf drehte sich alles, die Gedanken überschlugen sich. Wie in Trance starrte sie auf den Fernsehbildschirm, über den immer noch die Nachrichten flimmerten. Aber sie interessierten Hester nicht mehr. Im Gegensatz zu dem, was in ihrem Leben geschah, waren sie nicht wichtig, gar nicht real. Sie wusste nicht, ob sie weinen oder schreien sollte. Also tat sie beides. Davon wachte das Baby auf. Und ihr Mann erschien, endlich.
    Halts Maul, Weib. Was machst du für einen Krach?
    »Sie haben sie geschnappt.«
    Wer?
    »Sie! Sie haben sie geschnappt. Sie wissen über die Babys Bescheid. Das heißt, sie kommen uns holen ...«
Erzähl mir alles.
    Also erzählte sie ihm alles. Woher die Liste kam und wer sie ihr gegeben hatte. Er hörte schweigend zu. Das war kein gutes Zeichen.
    Ich hab es gewusst,
sagte er schließlich.
Woher du die Liste hattest. Glaubst du wirklich, dass ich keine Ahnung hatte? Du hast dich wohl für ganz clever gehalten, das vor mir zu verheimlichen. Aber ich wusste die ganze Zeit Bescheid.
    »Aber ... warum hast du nichts gesagt?«
    Warum hätte ich was sagen sollen? Du wolltest es. Ich wollte es.
    »Aber es war ...«
    Das war egal.
    Sie hätte erleichtert sein müssen, dass er nicht wütend war. Stattdessen spürte sie, wie eine Welle der Panik sie zu überrollen drohte.
    »Also ... wir müssen was tun.«
    Er antwortete nicht.
    »Ich hab gesagt, wir müssen was tun!«
    Das Baby fing an zu schreien. Hester ignorierte es. Das hier war wichtiger.
    »Wir könnten abhauen«, sagte sie. »Ja. Irgendwohin gehen, wo sie uns nicht finden. Das Baby nehmen wir mit. Dann können wir wieder eine richtige Familie sein.«
    Keine Antwort.
    »Sag doch was! Sag mir, was ich tun soll!«
     
    Der Fernseher lief immer noch. Er starrte auf die flimmernden Bilder, während er versuchte, sich zu konzentrieren. Zu entscheiden, wie sein nächster Schritt aussehen sollte. Die Nachrichten. Der Detective gab einen Kommentar ab, dann folgte ein Schnitt auf die Frau vom vergangenen Abend. Die, die er vor dem Fitnessstudio gesehen hatte. Die Hübsche. Die Schwangere. Erst wunderte er sich, dass sie genau dasselbe sagte wie am Abend zuvor, bis ihm auffiel, dass es sich um eine Aufzeichnung handelte. Er sah zu, wie sich ihre Lippen bewegten. Lächelte. In seinem Kopf begann ein Plan Gestalt anzunehmen.
    Jeder Jäger braucht einen Plan. Vor allem einen Fluchtplan. Er warf sich seinen Mantel über und ging nach draußen. Die Arbeit rief.
     

67
     
    Phil parkte den Audi, stieg aus und schloss die Türen ab. Dann ließ er sich gegen den Wagen sinken und seufzte mit geschlossenen Augen. Clayton Thompson, sein Sergeant. Tot.
    Er schüttelte den Kopf, ob aus Unglauben oder um die Bilder aus Claytons Wohnung

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