Entrissen
hatten Millhouse wegen der Verbindung zu Sophie Gale gefragt?«
»Ja.« Jetzt dämmerte es ihr. »Ach du Scheiße ...«
»Kennen Sie den Weg zu seiner Wohnung?«
Anni nickte.
»Sagen Sie mir, wie ich fahren muss. Schnell!« Phil schaltete die Sirene ein.
64
»Nein ... oh mein Gott...«
Keuchend stand Marina in der verriegelten Toilettenkabine.
Nach Annis Anruf hatte sie sich plötzlich unwohl gefühlt. Sie konnte nicht genau beschreiben, was es war, nur ein scharfer, stechender Schmerz im Unterleib. Instinktiv wusste sie, dass etwas nicht stimmte. Sie rannte zur Toilette und schloss sich ein. Und sah ihre schlimmsten Ängste bestätigt.
Blut. Sie blutete.
»Nicht das Baby ...«
Das Baby. In einem einzigen Augenblick hatte sich der innere Widerstreit, unter dem sie all die Wochen gelitten hatte, in Luft aufgelöst. Ihrem Baby ging es nicht gut. Sie musste etwas tun. Sie presste eine Hand auf den Bauch, als eine weitere Schmerzwelle sie erfasste. Dann kramte sie nach ihrem Handy, um ihren Gynäkologen anzurufen. Hoffentlich hatte er noch einen Termin frei.
Sie hatte Glück, die Sprechstundenhilfe konnte sie dazwischenschieben. Hastig warf sie einen Blick auf die Uhr und ließ dann ihr Handy zuschnappen. Ermittlungen hin oder her, dies hier war wichtig. Bis zu diesem Augenblick war ihr gar nicht bewusst gewesen, wie wichtig.
Für den Fall, dass jemand im Vorraum war und sie bemerkt hatte, betätigte sie die Toilettenspülung, dann machte sie sich auf den Weg.
»Sophie?«
Clayton kam in die Wohnung gestürmt. Er warf seine Schlüssel auf das Tischchen im Flur und lief dann weiter ins Wohnzimmer. Sophie saß im Sessel am Fenster und rührte sich nicht. Die Jalousien hinter ihr waren heruntergelassen. Er stieß einen Seufzer der Erleichterung aus.
»Gott sei Dank, ich dachte schon, dir wäre was passiert!«
»Mir geht's gut«, sagte sie, ohne sich umzudrehen.
Ihre Stimme klang seltsam distanziert. Ganz anders, als er sie kannte. Aber er hatte keine Zeit, darüber nachzudenken. Er hatte ihr so viel zu sagen.
»Hör zu«, begann er, ging zu ihr und hockte sich auf die Sessellehne. »Sie haben eine Verbindung gefunden. Zwischen dir und Graeme Eades, dem Ehemann des letzten Opfers. Von damals, als du ... noch gearbeitet hast.«
Sie sagte nichts.
Clayton runzelte die Stirn. Er hatte nicht erwartet, dass sie derart gelassen auf die Nachricht reagieren würde.
»Sie wollen noch mal mit dir sprechen. Wir müssen uns überlegen, wie wir das am besten hinkriegen. Vielleicht tun wir so, als würde ich den Kontakt zu dir herstellen und dich aufs Revier bestellen? Für eine kurze Unterredung. Wie wollen wir das anstellen?«
Sophie sagte noch immer nichts, blickte nur stumm geradeaus.
Langsam wurde Clayton ungeduldig. »Sophie!« Er fuhr hoch, als wäre die Sessellehne auf einmal zu heiß, um auf ihr zu sitzen, und begann im Zimmer auf und ab zu laufen, bis er irgendwann wieder vor ihr stehenblieb. »Hast du mir überhaupt zugehört? Sophie, wir stecken in Schwierigkeiten!«
Da endlich wandte sie den Kopf und blickte ihn an.
»Du
steckst in Schwierigkeiten, Clayton.«
»Was? Wir stecken da beide mit drin! Wir müssen - wir müssen ...« Er kniff die Augen zusammen und presste sich die Fäuste gegen die Schläfen. Dann öffnete er die Augen wieder und sah sie an. »Wir müssen uns einig werden. Und zwar schnell.«
Sophie schwieg. Gerade als Clayton dachte, sie hätte ihn vielleicht nicht gehört, seufzte sie. Es war ein müder Seufzer, als finde sie sich widerstrebend mit einer lästigen Situation ab. Sie sah ihn immer noch an.
»Irgendwann musste es wohl passieren. Früher oder später.«
»Ja, musste es wohl.« Er hielt inne. Redete sie überhaupt über dieselbe Sache?
»Was
musste passieren?«
Sie stand auf und trat zu ihm. Presste ihren Körper gegen seinen. »Es hat keinen Sinn mehr, dir noch was vorzuspielen. Ich könnte dir sagen, dass es schön mit dir war. Aber das wäre eine Lüge.« Sie legte eine Hand auf seine Brust und begann ihn mit langsam kreisenden Bewegungen zu streicheln. »Und wir haben schon zu oft gelogen, nicht wahr?«
»Wovon ... wovon redest du?« Er starrte sie an, wie hypnotisiert von der Berührung.
»Eine Kette ist immer nur so stark wie ihr schwächstes Glied. Das hab ich bei meiner Arbeit auf dem Schrottplatz gelernt. Und in diesem Fall bist das du, Clayton.«
Inzwischen verstand er gar nichts mehr. »Was?«
»Zuerst dachte ich, es ist von Vorteil, dass du an dem
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