Entrissen
Kinder. Aber sie können keine bekommen. Also bitten sie Sie, schwangere Frauen ausfindig zu machen, denen sie die Babys herausschneiden und als ihre eigenen ausgeben können?«
Sophie betrachtete immer noch ihre Nägel. »Ja. So ist es. Genau.«
»Frauen, die kurz vor dem Entbindungstermin stehen. Frauen, die Sie kennen.«
Wieder ein Nicken. »M-hm.«
»Und Sie haben Brotherton als Sündenbock benutzt. Ihm die Schuld in die Schuhe geschoben, um von sich abzulenken.« Sophie gähnte. »Ja.«
Phil wurde langsam wütend. Er versuchte, sich nicht aus der Ruhe bringen zu lassen. Seine Wut zu lenken. Es fiel ihm unheimlich schwer. »Aber was ist mit Clayton? Warum musste er sterben? Warum haben Sie Clayton Thompson umgebracht?«
Sie zuckte mit den Schultern. »Erst war er nützlich. Dann nicht mehr.«
Phil beugte sich dicht zu ihr und fragte bestimmt: »Weil er Ihnen auf der Spur war? Weil er geahnt hat, was läuft?«
»Ja, so ähnlich.« Sie nahm den Becher, hob ihn an den Mund, verzog dann jedoch das Gesicht. »Der ist kalt. Kann ich neuen haben?«
Phil schlug ihr den Becher aus der Hand, wobei einer ihrer Nägel abbrach. Der Becher flog quer durch den Raum, prallte gegen die Wand und zerbrach. An der Wand blieb ein nasser brauner Fleck zurück.
»Scheiß auf den Tee!«, brüllte er. »Jetzt reden Sie endlich!«
Sophie starrte ihn aus weit aufgerissenen Augen an. Sie wich vor ihm zurück und kauerte sich zusammen. Doch Phil ließ sie nicht in Ruhe.
»Jetzt sagen Sie mir verdammt noch mal die Wahrheit, Sie verdammte Mörderin! Wrabness! Hester lebt in Wrabness, stimmt das?«
Sophie nickte hastig.
»Wo? Wie ist die Adresse?«
Statt einer Antwort wimmerte sie bloß.
»Wo?«
Sie zuckte bei seinem Tonfall zusammen. »Da ist ein ... ein Haus, abseits der Hauptstraße ...« »Name! Hausnummer!«
Sie kauerte sich noch mehr zusammen. »Bitte nicht schlagen ...«
»Ich will den Namen und die Hausnummer. Die Nummer!« »Es ist... Hillfield.«
»In Ordnung. Und Ihr richtiger Nachname?«
Sie wimmerte wieder und brach schließlich in Tränen aus. Phil war alles egal. »Los, raus mit der Sprache!«
»Croft, er lautet Croft! Bitte schlagen Sie mich nicht...«
Phil sprang auf. In seinem Kopf drehte sich alles. Er hatte keine Ahnung, ob das Geständnis vor Gericht zugelassen werden würde, aber das war ihm in diesem Augenblick vollkommen gleichgültig. Damit konnte er sich später befassen. Sie hatten eine Spur, das war das Wichtigste.
Er betrachtete Sophie, die zusammengesunken auf ihrem Stuhl saß. Sie sah beklagenswert aus, und sobald sein Zorn verflogen war, würde er vielleicht Mitleid mit ihr empfinden. Aber nicht in diesem Moment. Sein Blick fiel auf das Täterfoto, das immer noch auf dem Tisch lag. Ihm kam ein Gedanke.
Er zeigte auf das Foto. »Das ist er, stimmt's?«, sagte er.
Sophie gab keine Antwort.
»Auf dem Foto. Das ist er, Ihr Bruder. Heston. Hester. Wie auch immer. Habe ich recht?« Ohne ihre Antwort abzuwarten, redete er weiter. »Den Ehemann gibt es gar nicht, stimmt's? Es gibt nur Ihren Bruder. Deswegen will er die Babys. Weil er selbst keine Kinder bekommen kann. So ist es, nicht wahr?«
Sophie hielt den Kopf gesenkt, nickte aber.
Phil atmete schwer, als sei er soeben einen Marathon gelaufen. »Hillfield. Wrabness. Croft... korrekt?«
Wieder nickte sie. »Aber er wird nicht da sein ...«
Er sah auf sie herunter. »Was soll das heißen?«
»Ich hab ihn doch angerufen. Gleich nachdem ich hierhergebracht wurde. Wenn er auch nur ein bisschen Verstand im Kopf hat, ist er längst abgehauen.«
»Wohin?«
Sie zuckte mit den Schultern. »Über alle Berge ...«
»Mist, verdammter!«
Die Tür öffnete sich. Phil fuhr herum, wollte den Störenfried anschreien, ihn notfalls mit Gewalt wieder nach draußen befördern. Aber es war Adrian Wren. Und Phil wusste, dass der ihn niemals unterbrochen hätte, wenn es nicht wichtig gewesen wäre. Und es war wichtig, das konnte er an seiner Miene ablesen.
»Chef ...« Adrian winkte ihn zu sich.
Phil sprach die Uhrzeit aufs Band und dass die Vernehmung beendet sei, dann trat er auf den Gang hinaus.
»Wir haben gerade einen Anruf aus Wivenhoe bekommen«, sagte Adrian. »Marinas Haus wurde verwüstet. Ihr ... Lebensgefährte?«
»Tony«, sagte Phil. Diesmal erinnerte er sich an seinen Namen.
»Genau. Man hat ihn mit eingeschlagenem Schädel gefunden. Der Notarztwagen ist schon auf dem Weg.« Phil wurde kalt. »Was ist mit -« »Keine Spur von ihr,
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