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Entrissen

Entrissen

Titel: Entrissen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tania Carver
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ungestört war, und wählte die Nummer.
     

7
     
    Er hatte es getan. Hatte es tatsächlich getan. Er hatte getan, worum sie ihn gebeten hatte, und ihr ein Baby besorgt. Hester konnte es kaum glauben.
    Aber jetzt blickte sie auf das vor ihr liegende Baby herab und runzelte kritisch die Stirn. Irgendwas stimmte da nicht. Stimmte ganz und gar nicht.
    Sie wusste, wie Babys aussahen. Vor allem Neugeborene. Sie hatte sie im Fernsehen gesehen. Sie waren fröhlich und lachten die ganze Zeit und hatten Haare auf dem Kopf. Das hier hatte keine Haare. Es war klein, verschrumpelt und bläulich. Sah eher aus wie Yoda aus
Star Wars
als wie ein Baby. Und lachen tat es auch nicht. Es verzog nur das Gesicht und gab gurgelnde Klagelaute von sich, als würde es unter Wasser gefoltert.
    Aber es war ein Baby, also würde Hester das Beste daraus machen. Ein Baby ganz für sie allein. Und wenn man ein Baby hatte, dann musste man es anziehen und füttern und dafür sorgen, dass es wuchs und gedieh. Das wusste sie.
    Das Baby hatte angefangen zu quengeln. Hester zwang sich zu lächeln.
    Das Baby hatte angefangen zu quengeln. Hester zwang sich zu lächeln.
    »Na, hast du Hunger, Baby?«, fragte sie in zwitscherndem Tonfall. Im Fernsehen hatte sie gehört, dass man so mit Babys redete. »Hast du Hunger?« Das Gequengel wurde lauter. »Mami hat was für dich.«
    Mami. Allein das Wort...
    Sie ging zum Kühlschrank, nahm ein Fläschchen heraus und stellte es in die Mikrowelle. Sie hatte ihrem Mann eine Liste der Dinge mitgegeben, die sie brauchte, und er hatte alles besorgt. Milch. Flaschen. Windeln. Genau, wie es in den Büchern stand.
    Sie wartete auf das »Ping« und nahm dann die Flasche heraus.
    »Genau richtig«, sagte sie, nachdem sie sich etwas von der Milch in den Mund gespritzt hatte. Sie steckte dem Baby den Sauger zwischen die Lippen und wartete, während es gierig nuckelte.
    »Genau so. So ist es brav ...«
    Es war winzig und blau und verschrumpelt. Wie Yoda eben. Aber anders als Yoda konnte es seine Augen nicht vollständig öffnen, egal wie sehr Hester an seinen Lidern zog. Komisch. Sie hatte das Baby in Decken gewickelt, weil man das so machte, aber es sah trotzdem so aus, als wäre ihm kalt. Aber das spielte keine Rolle. Hester hatte ein Baby. Endlich. Das war es, was zählte. Und sie musste eine Bindung zu ihm aufbauen. Auch das war jetzt wichtig.
    Erneut blickte sie auf den Säugling herab, sah, wie er trank, und es gelang ihr zu lächeln. »Ich hab viel durchgemacht, um dich zu kriegen«, sagte sie, und ihre normalerweise raue, brüchige Stimme klang hoch und gurrend. »Sehr viel. Ich hätte einfach irgendwo reingehen und dich stehlen können, aber das wäre nicht dasselbe gewesen. Weil du dann schon jemand anderem gehört hättest, stimmt's? Du hättest schon eine andere Mami gehabt, und die hättest du erst vergessen müssen, bevor du mich akzeptiert hättest.« Sie seufzte. »Ja, ich hab viel durchgemacht. Aber du warst es wert...«
    Das Baby spuckte den Sauger aus und begann zu husten. Wut stieg in Hester hoch. Das Baby benahm sich nicht so, wie es sollte. Es hätte die ganze Flasche leer trinken müssen. So wie es in den Büchern stand. Und im Fernsehen gezeigt wurde.
    »Zick bloß nicht rum«, sagte sie, und jede Spur der süßen Babysprache war aus ihrer Stimme verschwunden. »Trink gefälligst! «
    Sie stopfte dem Baby den Sauger wieder in den Mund und schluckte ihren Zorn hinunter. Zwang es zu trinken.
    Das Baby hörte auf zu husten und saugte. Schon besser.
    Ja, es war verschrumpelt und hatte nicht die richtige Farbe. Und es schrie die ganze Zeit. Das hasste Hester. Aber es war ein Baby. Das war alles, was sie gewollt hatte. Der Rest würde sich schon finden.
    »Aber eins sag ich dir, du fängst besser ganz schnell an, dich wie die Babys im Fernsehen zu benehmen«, sagte sie, während sie seinen kahlen Kopf anstarrte. »Wie die
richtigen
Babys. Sonst gibt's Ärger ...« Das Baby zappelte und versuchte, sich der Flasche zu entziehen.
    »Nein!«, sagte Hester. »Du musst groß und stark werden. Du bist erst fertig, wenn ich dir sage, dass du fertig bist...«
    Milch rann über die Wangen des Babys. Es hatte aufgehört zu trinken. Hester ließ den Sauger, wo er war.
    Sie lächelte und sah auf ihre Armbanduhr. Schloss die Augen. Bald würde ihr Mann wieder fortgehen. Ja, sie hatte jetzt ein Baby, aber sein Werk war noch nicht getan. Erst musste noch die Liste abgearbeitet werden. Dann, sobald er alles erledigt hätte,

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