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Entrissen

Entrissen

Titel: Entrissen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tania Carver
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fast zärtlich auf dem Arm, wiegte es hin und her und sprach leise zu ihm.
    »Ja, genau«, sagte sie mit sanfter Stimme zu dem Baby. »Schlaf. Schlaf nur. So ist es gut...«
    Die Schreie des Babys wurden allmählich leiser. Hester lächelte traurig. »Du musst jetzt schlafen, Kleines. Ja ... Solange du hier bist, kommt mein Mann nämlich nicht zu mir zurück. Nein, das tut er nicht...« Wieder wiegte sie es. »Und das bedeutet, dass du wegmusst... ja, ja, weg musst du ...«
    Durch Hesters sanfte Worte kam das Baby allmählich zur Ruhe.
    »Schhh... ja, so ist es gut...«
    Hester lächelte, als das Baby aufhörte zu strampeln.
    »Gut. Braves Baby.« Ihr fiel sein Geschlecht wieder ein. »Braves Mädchen ...«
    Dem Baby fielen langsam die Augen zu.
    »So ist es recht, liebes Mädchen ... schlaf schön ein ... alles wird gut, wenn du erst mal eingeschlafen bist...«
    Hester streichelte dem Baby sanft über den Hals.
    Es schloss die Augen.
    »Das also ist Wrabness«, sagte Anni und sah sich um. »Hier möchte ja nicht mal ein Hund begraben sein.«
    Phil lächelte verhalten. »Ich wette, den Spruch kennen sie hier schon.«
    Sie konnten in der Dunkelheit nicht viel sehen, aber Phil bezweifelte, dass der Ort bei Tageslicht einen viel besseren Eindruck machte. Das Land war flach, bis zum Horizont nichts als Felder, hier und da ein paar einzelne Bäume. An einem anderen Ort hätten sie vielleicht idyllisch gewirkt, aber hier ließen sie die Handvoll Häuser am Straßenrand nur noch verlassener aussehen.
    Sie waren der Wegbeschreibung nach Hillfield gefolgt, dem Haus der Familie Croft. Irgendwann waren sie von der zweispurigen Hauptstraße auf einen einspurigen Fahrweg abgebogen. Sie hatten am Straßenrand geparkt und die Zufahrt blockiert. Uniformierte waren bereits damit beschäftigt, zu beiden Seiten der Straße Absperrband auszurollen und Barrieren zu errichten.
    Phil war ausgestiegen und sah sich zusammen mit Anni die Umgebung an. Die Bäume waren kahl, die abgeernteten Felder lagen in der Dunkelheit öde und verlassen da. Man konnte den Fluss sehen und dahinter die Lichter des Hafens von Harwich, die am gegenüberliegenden Ufer flimmerten und so unerreichbar und unwirklich schienen wie eine Fata Morgana in der Wüste. Ein Hinweisschild neben einem Gatter wies den Weg über einen unbefestigten Pfad zum Strand.
    »Das Haus steht da hinten«, sagte Phil und deutete auf den Pfad. »Wir müssen hier entlang.«
    Inzwischen waren alle ausgestiegen. Das Einsatzkommando stand bereit. Waffen waren geladen und entsichert, Panzerwesten angelegt. Jeder wusste, was er zu tun hatte. Die Nacht war kalt und klar, doch das Adrenalin sorgte für genügend Hitze.
    »Also«, sagte Phil zur versammelten Mannschaft. »Sind alle so weit?«
    Zustimmendes Gemurmel und Nicken.
    »Jeder weiß, was er zu tun hat?« Wieder nickten alle. »Gut. Dann gehen wir.«
    Er ging zum Gatter und öffnete es. Der Pfad verlief zum Ufer hin leicht abschüssig. Er war unbeleuchtet, und je weiter sie sich von der Straße entfernten, desto dunkler wurde es. Sie hatten Taschenlampen dabei, und obwohl die Gefahr bestand, dass man sie sehen könnte, hatte Phil keine andere Wahl. Er schaltete seine Lampe ein und leuchtete ihnen den Weg.
    Sie kamen an einem alten Haus vorbei, in dessen Garten so viel Gerumpel angehäuft war, dass es aussah wie eine zeitgenössische Kunstinstallation, dann weiter an mehreren mit Moos, Flechten und Efeu überwachsenen Ziegelmauern vorbei. Irgendwann kamen sie wieder an ein Tor. Phil leuchtete mit seiner Taschenlampe. Ein Wohnwagenpark. Das Gelände war klein, die Caravans waren allesamt alt, mindestens dreißig Jahre, schätzte er. Die meisten waren liebevoll gepflegt, nur einer fiel ihm auf. Er war noch älter als die anderen, heruntergekommen und voller Stockflecken. Flüchtig fragte er sich, wer um alles in der Welt wohl nach Wrabness fuhr, um Urlaub zu machen, dann ging er weiter.
    Am Ende des Pfads erreichten sie den Strand. Er blieb stehen.
    »Wenn wir am Strand sind«, meinte Anni neben ihm, »dann sind wir zu weit gegangen. Das Haus muss irgendwo weiter vorn liegen.«
    Phil sah sich um. Gegen den Sternenlosen Himmel zeichneten sich die Silhouetten einiger Strandhäuser ab. Sie waren auf Pfähle gebaut und sahen aus wie Raumschiffe aus einem alten Science-Fiction-Film. Der Strand war übersät mit alten Booten, die auf dem feuchten Sand vor sich hin rosteten. Noch an ihren Ankerketten, aber von ihren Besitzern im Stich gelassen, sahen

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