Entrissen
todunglücklich, aber sie hat ihn geliebt. Ist immer wieder zu ihm zurückgegangen. Jedes Mal. Erst stand sie vor meiner oder Julies Tür, in Tränen aufgelöst, mit einem blauen Auge und hat geschworen, sie würde sich endgültig von ihm trennen. Dann hat sie sich langsam erholt, er rief sie an, versprach ihr, er würde es nie wieder tun, und alles ging wieder von vorne los. Sie hat ihn jedes Mal wieder mit offenen Armen empfangen.«
»Verstehe«, sagte Anni.
Geraint Cooper sah sie mit versteinerter Miene an. »Wahrscheinlich denken Sie jetzt, dass sie es nicht anders verdient hat, stimmt's? Selbst schuld, wenn sie so dumm ist. So naiv. Wenn sie sich so behandeln lässt?«
»Ganz und gar nicht, Mr Cooper«, entgegnete Anni mit ruhiger, fester Stimme. »Ich habe solche Geschichten schon oft erlebt. Zu oft, um ehrlich zu sein. Und die Frauen, denen es passiert, sind nicht dumm oder naiv. Sie sind intelligent, vernünftig und erwachsen. Und oft wissen sie selbst gar nicht, wie sie in eine solche Lage geraten sind.«
Ihre Worte schienen ihn zu besänftigen.
Anni fragte weiter: »Und was ist dann passiert?«
»Irgendwann haben wir eingegriffen. Julie, Chrissie und ich. Wir waren ihre besten Freunde, wir konnten das nicht länger mit ansehen. Glücklicherweise konnten wir sie zur Vernunft bringen.«
»Und dann war sie plötzlich schwanger?«
Geraint Cooper nickte.
»Von Ryan Brotherton?«
Wieder nickte er. »Das war der Zeitpunkt, als sie ihn endgültig verlassen hat.«
Anni runzelte die Stirn. »Wirklich?«
»Ja, wirklich. Er hat gesagt, er will kein Kind. Unter keinen Umständen. Sie schon. Sogar von einem Kerl wie ihm. Sie ließ sich nicht davon abbringen. Aber er hatte beschlossen, dass es wegmusste. Und wenn sie sich nicht drum kümmerte, würde er die Sache eben selbst erledigen.«
Anni schluckte schwer, versuchte aber, sich nichts anmerken zu lassen. »Selbst erledigen? Wie denn?« Ihre Stimme klang weniger fest, als ihr lieb gewesen wäre.
Geraint Cooper hielt die Hände in die Höhe und ballte sie zu Fäusten. »Hiermit.«
»Verstehe.« Wieder musste sie schlucken. »Daraufhin hat sie ihn verlassen.«
Er nickte. »Und ihm ist urplötzlich eingefallen, dass er sie unbedingt zurückhaben wollte.«
»Trotz des Babys?«
Er zuckte mit den Achseln. »Hauptsache, er hatte sie wieder.«
»Und wie hat er es angestellt?«
»Er hat einen auf nett gemacht. Hat ihr Blumen geschickt, das ganze Programm. Ein echter Charmebolzen. Er habe sich geändert, sei ein komplett neuer Mensch, das übliche Gerede.« »Und hatte er Erfolg damit?«
»Nein. Wie gesagt, jetzt hatte sie uns. Wir haben ihr dabei geholfen, stark zu bleiben.«
Anni runzelte die Stirn. »Also hat nicht er sich von ihr getrennt, sondern sie sich von ihm?«
»Genau.«
»Und das hat ihm nicht gepasst.«
Geraint Cooper lachte bitter. »So könnte man es ausdrücken.«
»Wie hat er reagiert, als Claire sich nicht mit ihm versöhnen wollte?«
»Er ist richtig unangenehm geworden. Hat sie ständig angerufen«, sagte Geraint. »Drohanrufe. Ganz schrecklich. Was er mit ihr machen würde, wenn er sie in die Finger bekäme. Was er machen würde, wenn sie nicht zu ihm zurückkäme.«
»Von anderen habe ich gehört, dass er sie verlassen hat und nicht umgekehrt. An der Behauptung ist also nichts dran?«
Er schüttelte den Kopf, sah dabei aber etwas unbehaglich aus. »Na ja ... Manche Leute haben vielleicht diesen Eindruck bekommen.«
»Wieso das?«
»Weil wir es so wollten. Um es Claire leichter zu machen. Wir drei waren nämlich mehr als nur ihre Freunde. Wir waren eine Art Selbsthilfegruppe. Wir haben sie bei allem unterstützt.«
Anni schwieg. Sie wusste, er war noch nicht fertig.
»Denken Sie drüber nach. Ist es nicht leichter zu sagen, dass man schwanger und alleinstehend ist, weil der Mann einen hat sitzenlassen, anstatt dass man ihn aus freien Stücken verlassen hat, nachdem er damit gedroht hat, das eigene Kind umzubringen?«
»Das hat er tatsächlich getan? Er hat damit gedroht, ihr Baby zu töten?«
Geraint Cooper nickte. Und hörte nicht auf zu nicken. Und all die Tränen, die er bis dahin zurückgehalten hatte, begannen ungehemmt zu fließen.
Anni klappte ihr Notizbuch zu. Fürs Erste hatte sie alles, was sie brauchte.
18
»Danke für Ihr Entgegenkommen«, sagte Phil. »Ich weiß das wirklich zu schätzen.«
Nick Lines zuckte mit den Schultern. Für ihn war ein Fall wie der andere. »Ist nicht meine Entscheidung
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