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Entrissen

Entrissen

Titel: Entrissen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tania Carver
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Notiz.
    »Was glauben Sie, war es ein Versehen? Dass er ihr so viel verabreicht hat? Oder geschah es mit Absicht?«
    Nick Lines lächelte, als hätte er Phil einem heimlichen Test unterzogen, den dieser bestanden hatte. »Um es mit den leider ziemlich abgenutzten und klischeehaften Worten des großen William Shakespeare zu sagen: Das ist hier die Frage. Ich würde darauf tippen - und mehr als eine Vermutung ist es nicht -, dass er es nicht mit Absicht getan hat. Er wollte sie gefügig machen. Dann hat er sie ans Bett gefesselt. Es ist klar, dass die Droge zu diesem Zeitpunkt bereits angefangen hatte zu wirken, denn an der Haut unter den Fesseln sind nur wenige Abschürfungen zu erkennen. Sie hat sich also nicht gewehrt -
konnte
sich nicht wehren. Dann hat er sich an die Arbeit gemacht und das Baby aus ihr herausgeschnitten. Dafür hat er dasselbe Messer benutzt, mit dem er zuvor Julie Simpson getötet hatte.«
    »Hat er sie vielleicht unter Drogen gesetzt, damit sie nicht schreit? Ein hellhöriges Haus, die Nachbarn ...«
    »Sehr wahrscheinlich. Nicht einfach, eine solche Tat ohne Lärm zu begehen.«
    Phil dachte einen Moment lang nach. »Wie lange, glauben Sie, hat er gebraucht?«, fragte er.
    Nick Lines runzelte fragend die Stirn.
    »Kann es sein, dass die Droge auch auf das Baby übergegangen ist? Hat es noch geatmet, als er es herausgeschnitten hat? Oder eher nicht?«
    »Da kann ich nur spekulieren. Die Schnitte wurden mit einem Minimum an Finesse und ganz offenbar in Eile ausgeführt, was suggeriert, dass der Täter auf ein konkretes Ziel hinarbeitete. Daher würde ich sagen, dass die Möglichkeit besteht, dass das Medikament noch nicht in den Blutkreislauf des Babys gelangt war.«
    »Also können wir nach wie vor davon ausgehen, dass es am Leben ist?«
    Nick Lines zuckte mit den Schultern. »Das wäre zumindest meine Vermutung.«
    »Wie geschickt war der Täter? War er medizinisch bewandert? Womöglich ein ausgebildeter Chirurg?«
    Nick Lines ließ sich die Frage eine Zeitlang durch den Kopf gehen. »Ausgebildet... nein. Geübt... schon möglich. Offenbar verfügte er über Grundkenntnisse. Zumindest wusste er, wo er schneiden musste. Aber kein Profi. Eher ein ... passionierter Laie.«
    »Vor denen möge uns der liebe Gott beschützen«, versetzte Phil. »Was ist mit der DNA-Analyse? Haben wir da schon Ergebnisse?«
    Nick Lines verneinte. »Noch zu früh. Könnte bis zu einer Woche dauern, vielleicht sogar länger.« »Was ist mit Geschlechtsverkehr?«
    Nick Lines schenkte ihm ein dünnes Lächeln. »Ein nett gemeintes Angebot, aber ich fürchte, Sie sind nicht mein Typ.«
    Phil schüttelte den Kopf. »Ich wette, auf der Weihnachtsfeier rocken Sie die Bude.«
    Nick Lines hob eine Braue. Phil wollte lieber nicht darüber nachdenken.
    »Nein«, sagte Lines schließlich. »Keine Anzeichen für sexuelle Aktivitäten, ob erzwungen oder freiwillig. Bei keinem der beiden Opfer.«
    »Danke.« Phil dachte eine Weile über das nach, was er gehört hatte. »Also gut«, meinte er schließlich. »Wenn das alles ist, dann gehe ich jetzt.« Er machte Anstalten, die gelbe Mappe an sich zu nehmen.
    »Ein paar Dinge noch«, sagte Lines. Phil hielt inne. Lines schob ein Blatt Papier über den Schreibtisch. »Ich habe mir die Freiheit genommen und mich mit einer Bekannten aus der gynäkologischen Abteilung beraten. Sie hat alle Parameter mit einbezogen: traumatische Geburtserfahrung, ein Monat vor Termin - ich habe Claire Fieldings Patientenakte eingesehen, sie war in vier Wochen für einen Kaiserschnitt angemeldet -, die Droge, die der Mutter verabreicht wurde ...« Er seufzte. »Solange das Baby zusätzliche Vitamingaben erhält, ausreichend Milch und genügend Wärme, geht es ihm vielleicht noch gut.«
    »Wo würde man solche Vitamine denn bekommen?«
    »Überall. Das ist die gute Nachricht. Aber falls es keine adäquate Pflege bekommt oder Atemschwierigkeiten entwickelt, würde ich sagen, uns bleiben allenfalls noch Stunden.«
    Phil nahm das Blatt an sich. Spürte die altbekannte Enge in der Brust. »Danke.« Er ignorierte den Druck, der sich in seinem Innern aufbaute, und wandte sich zur Tür.
    »Noch etwas. Die Morde wurden mit großem Kraftaufwand verübt. Wenn man dann noch den Winkel in Betracht zieht, mit dem das Messer in Julie Simpsons Hals eingedrungen ist, kann man meiner Ansicht nach eine Frau als Täter ausschließen. Es sei denn, die Frau hatte eine Statur wie ein Bodybuilder, eins neunzig groß, hundert Kilo

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