Entrissen
schwer.«
Phil nickte. Er kannte da jemanden, der haargenau auf diese Beschreibung passte.
»Gehen Sie und schnappen Sie ihn, Phil«, sagte Lines zum Abschied.
Phil nickte und sah zu, dass er fortkam.
19
»Also gut«, verkündete Phil, als er die Bar betrat. »Setzen wir uns zusammen. Was gibt es Neues?« Alle sahen auf.
»Nur kurz«, fügte er hinzu. »Dann machen wir Feierabend.«
Feierabend - daran schien im Moment niemand zu denken. Im Gegenteil, der Raum machte den Eindruck, als hätte sich sein gesamtes Team dort häuslich niedergelassen mit der festen Absicht, nicht eher zu gehen, als bis der Mörder gefasst und das Baby gefunden war. Anni schrieb gerade ihren Bericht, und Marina saß neben ihr, ebenfalls in die Arbeit vertieft. Auch die Birdies, DC Adrian Wren und DS Jane Gosling, saßen an ihren Schreibtischen, Adrian hoch aufgeschossen und spindeldürr, Jane klein und untersetzt. Zusammen sahen sie aus wie ein altes Clownsduo aus dem Variete, aber sie waren mit Leib und Seele Polizisten.
Ben Fenwick trat ein.
»Kommen Sie und setzen Sie sich zu uns«, lud Phil ihn ein.
Inzwischen waren die Deckenlichter eingeschaltet und verbreiteten eine unnatürliche, ja sogar bedrückende Helligkeit. Das Whiteboard vor dem Tresen zeigte immer noch dieselben grausigen Vorher-Nachher-Fotos von Claire Fielding, Julie Simpson, Lisa King und Susie Evans. Auf einem Foto strahlten die jungen Frauen voll unbekümmerter Lebensfreude in die Kamera, auf dem anderen waren sie nur noch seelenlose, ausgeweidete Körper. Rechts daneben hing ein Stadtplan von Colchester, auf dem die Tatorte eingekreist waren. Darunter ein Foto von Ryan Brotherton. Ein Marker lag da, um den verbleibenden Platz mit Fakten, Vermutungen und Hypothesen zu füllen, Verbindungen zu knüpfen, Ordnung ins Chaos zu bringen. Neben der Tafel war ein Fernseher mit einem kombinierten Video-DVD-Recorder aufgebaut.
»Wo ist Clayton?«, erkundigte sich Anni.
»Geht irgendeiner Spur nach«, sagte Phil. »Müsste jeden Moment hier sein.«
»Immer auf der Jagd nach Ruhm und Ehre«, murmelte Anni gerade so laut, dass Phil es hören konnte. Er wusste, dass Clayton hoch hinauswollte. Er wollte nicht ewig Detective Sergeant bleiben und in Colchester versauern. Wenn man sich um eine Beförderung bewerben wollte, war dies vermutlich der ideale Fall. Sofern sie ihn überhaupt lösten.
Phil sah Anni mit einem mahnenden Blick an, ließ ihre Worte aber unkommentiert. Dies war weder der rechte Ort noch Zeitpunkt für eine solche Diskussion.
»Also gut«, begann er. »Es ist ungefähr sieben Stunden her, seit die Leichen von Claire Fielding und Julie Simpson entdeckt wurden, und vom Baby fehlt immer noch jede Spur. Tragen wir also die Fakten zusammen. Wer fängt an? Anni?«
Anni konsultierte ihre Notizen und berichtete dem Team alles, was sie an der All-Saints-Grundschule erfahren hatte: dass Chrissie Burrows, Geraint Cooper und Julie Simpson zusammen mit Claire die bevorstehende Geburt gefeiert hätten. Dass sie nicht bloß gute Freunde seien, sondern Claire Fielding darüber hinaus auch geholfen hätten, die Trennung von Ryan Brotherton durchzustehen. Sie erwähnte auch dessen Drohungen gegen Claire und ihr Kind.
Phil unterbrach sie.
»Ryan Brotherton«, sagte er und warf einen Blick auf seine Aufzeichnungen. »Vorstrafe wegen Körperverletzung. Hat in Chelmsford eingesessen. Mehrere Fälle von häuslicher Gewalt, allesamt gegen Frauen.«
Marina beugte sich über ihre Unterlagen und begann zu schreiben.
»Und er hat damit gedroht, das Baby umzubringen, falls sie sich weigerte, eine Abtreibung vornehmen zu lassen?«, fragte Fenwick.
Anni nickte. »Eigenhändig.«
Ben Fenwicks Mundwinkel zuckten, als wollte er lächeln, doch das musste er sich angesichts der Situation verkneifen. Seine Augen blitzten auf. »Aha. Sieht so aus, als hätten wir schon einen Verdächtigen«, stellte er fest.
»Das wird sich zeigen«, meinte Phil beschwichtigend. »Wir haben ihm jedenfalls einen Besuch abgestattet.« Er berichtete von seinem Besuch auf dem Schrottplatz, von Brothertons Reaktion und davon, dass seine neue Freundin Sophie ihm ein falsches Alibi verschafft hatte. »Sie hat eindeutig gelogen.«
»Wissen Sie, warum?«, wollte Fenwick wissen.
Phil schüttelte den Kopf. »Gewohnheit? Instinkt? Keine Ahnung. Ich würde beide gerne noch mal getrennt voneinander befragen. Aber ich bin mir sicher, dass er sie im Moment an der kurzen Leine hält. Ich habe übrigens
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