Entrissen
Baby? Auf einer Entbindungsstation oder in einem Babyfachmarkt?«, wandte Phil ein.
»Vielleicht ist ihm das Risiko zu groß. Ich weiß es nicht. Möglicherweise denkt er auch, dass man zu einem Baby, das direkt aus dem Mutterleib kommt, leichter eine Bindung aufbauen kann. Also«, sagte Marina und zeigte auf den Stadtplan, »vielleicht macht es Sinn, noch einmal den geographischen Aspekt genauer unter die Lupe zu nehmen. Normalerweise gibt die Gegend, in der ein Mörder seine Taten begeht, Anhaltspunkte für das Täterprofil. Anhand der Orte, wo er seine Taten begeht, kann man zum Beispiel festlegen, wo er ungefähr lebt. Wenn ich mir allerdings den Plan so anschaue, kann ich keinerlei Muster erkennen.«
»Wo wohnt Brotherton denn?«, wollte Anni wissen.
Phil und Marina sahen sie an.
Sie wurde rot. »Ich frage ja nur.«
Phil suchte in seinen Unterlagen. »Highwoods«, erwiderte er.
»Das ist mittendrin«, meinte Anni mit Blick auf den Stadtplan. »Na ja, zumindest fast.«
»Ja«, sagte Marina, »das stimmt. Aber diese Frauen haben verschiedene Hintergründe. Sie kommen aus unterschiedlichen sozialen Schichten, sie wohnen in unterschiedlichen Gegenden. Geographisch gesehen scheint es keinerlei Überschneidung zu geben - keinen Ort, an dem Brotherton sie getroffen haben könnte.«
»Vielleicht hat er ein Haus oder einen neuen Schrottplatz gekauft«, sagte Phil. »Über Lisa Kings Maklerbüro. Das sollten wir uns mal ansehen.«
Jane Gosling machte sich eine Notiz.
»Oder er ist zu Prostituierten gegangen«, meinte Anni. »Und hat auf diese Weise Susie Evans in New Town getroffen.«
Auch das schrieb Jane auf.
»Ich finde, wir sollten Brotherton nicht von vorneherein als Täter ausschließen«, meinte Phil. »Vielleicht finden wir eine Verbindung zwischen ihm und den ersten beiden Opfern. Und wir werden seine Telefonate überprüfen. Trotzdem darf er nicht die einzige Spur sein, die wir verfolgen.«
»Was, wenn er ganz woanders lebt und arbeitet - nicht dort, wo er seine Opfer findet und tötet?«, merkte Anni an. »Wie sucht er sie dann aus? Krankenhäuser? Frauenarztpraxen? Gibt es irgendeine übergreifende Datenbank, in der alle schwangeren Frauen verzeichnet sind?«
»Das prüfen wir gerade«, meldete sich Jane Gosling.
»Weiter«, sagte Phil. »Wir brauchen komplette Hintergrundchecks für Julie Simpson und Claire Fielding. Beide sind für uns gleich wichtig. Ich will wissen, was sie in den letzten Wochen getan haben, wo sie hingegangen sind und mit wem, wen sie getroffen haben, alles. Kein Detail ist irrelevant. Falls jemand sie auf der Straße nach der Uhrzeit gefragt hat, finden Sie heraus, wer und wann. Jane, können Sie das übernehmen?«
Jane Gosling kritzelte eifrig und nickte, ohne aufzublicken.
»Würde es dir etwas ausmachen, wenn ich mir den Tatort ansehe?«, meldete sich Marina zu Wort. »Das könnte hilfreich sein.«
»Sobald wir hier fertig sind, fahre ich dich hin.«
Sie nickte. Ihre Blicke trafen sich kurz.
»Also gut«, sagte Phil. »Das wäre für den Moment alles. Unsere Kollegen von der Streife werden weiter die Nachbarn befragen und die Bilder der Überwachungskameras auswerten. Ben Fenwick kann noch mal mit der Presse reden und ihnen ein Update geben. Diejenigen von Ihnen, die nach Hause gehen können, sollten die Zeit nutzen und sich ein wenig ausruhen. Tanken Sie Ihre Kräfte auf, Sie werden sie noch bitter nötig haben.«
»Kann ich noch etwas fragen, bevor wir gehen?«, meldete sich Adrian Wren. »Dieser Serienkiller ...«
Marina schnitt ihm das Wort ab. »Bitte nennen Sie ihn nicht so. Sobald man das Wort >Serienkiller< in den Mund nimmt, denken alle nur noch an FBI und CSI. Das ist nicht unbedingt hilfreich.«
»Also gut: dieser Mörder, der an verschiedenen Tatorten mehr als eine Person getötet hat«, sagte Adrian Wren und erntete dafür ein verschmitztes Lächeln von einigen seiner Kollegen. »Versuchen solche Leute nicht normalerweise, mit der Polizei in Kontakt zu treten, oder hinterlassen Hinweise, um zu zeigen, wie clever sie sind? Oder gibt es das nur in Filmen und Büchern?«
»Nein, auch im richtigen Leben, zumindest manchmal«, räumte Marina ein. »Solche Täter leiden oft unter einem geringen Selbstwertgefühl und wollen ihre Intelligenz zur Schau stellen. Manchmal ist es auch ein Hilferuf. Unterbewusst wollen sie gefasst werden. Aber das ist nur ein Tätertypus, und ich bezweifle, dass unser Mörder dazugehört. Dieser hier scheint auf ein ganz
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