Entrissen
sie sogar Prozente für jede Nobelkarosse, die vor einem der neuen Apartmentkomplexe geknackt wurde. Eine Weile starrten sie einander an, dann wandten sie fast gleichzeitig den Blick ab. Alles beruhte auf Gegenseitigkeit. Sie ließen ihn in Ruhe, solange er sie in Ruhe ließ.
Erst jetzt entdeckte Clayton seine Verabredung. Sie saß allein ganz im hinteren Teil des Pubs, auf dem Tisch vor ihr stand ein halb volles Glas mit einer klaren Flüssigkeit. Aus der Tasche neben ihrem Stuhl quoll Sportkleidung. Sie hatte ihn ebenfalls entdeckt und wartete darauf, dass er zu ihr kam. Clayton setzte sich ihr gegenüber an den Tisch und rang sich ein Lächeln ab.
Seine Verabredung lächelte ebenfalls. Es war ein flüchtiges, einstudiertes Lächeln, das nicht lange hielt. »Hallo, Fremder.« »Hallo, Sophie«, sagte Clayton.
Sophie sah sich rasch um, als wolle sie sichergehen, dass niemand ihnen zusah oder zuhörte. »Du hast dir ganz schön Zeit gelassen«, raunte sie.
»Briefing«, lautete seine Antwort. »Und der Verkehr.«
»Wie auch immer. Ich hab jedenfalls keine Zeit, die ganze Nacht hier rumzuhocken, kapiert?«
»Tut mir leid.« Clayton lächelte sie an, aber Sophie reagierte nicht darauf. »Hat dir irgendjemand hier drin Ärger gemacht?«
Sie schüttelte den Kopf. »Ich hab gesagt, dass ich auf jemanden warte. Das hat gereicht.«
»Verstehe.« Er ließ seinen Blick über ihren Körper wandern. Sie hatte sich nach der Arbeit umgezogen und trug jetzt Jeans, Turnschuhe und eine enge weiße Bluse, durch deren transparenten Stoff ihr dunkler Spitzen-BH zu sehen war und die ein großzügiges Stück ihres Dekolletes freiließ. Sie trug die Haare offen, was ihr herzförmiges, mit Make-up verkleistertes Gesicht betonte. »Gut siehst du aus.«
»Offenbar nicht gut genug. Hab seit Jahren nichts mehr von dir gehört.« Sie beugte sich vor. Er konnte nicht anders und starrte ihr in den Ausschnitt. »Aber du meldest dich ja nur, wenn du was willst. Und nach dem, was heute passiert ist, hab ich gleich gedacht, dass du anrufst.«
»Das war ein ganz schöner Schock«, sagte er. »Hab nicht damit gerechnet, dich zu sehen.«
Sie zuckte gleichgültig mit den Achseln. »Sag mal, was sollte eigentlich der Scheiß mit den DVDs? Wieso hast du das gefragt?«
»Ich hab nur meinen Job gemacht.« »Aber klar doch«, höhnte sie. »Deinen Job. Wir zwei wissen ja, was das bedeutet, stimmt's?«
Sein Lächeln verschwand. Mit einem Mal fühlte er sich nervös und unsicher. Sie war dabei, die Oberhand zu gewinnen. Das musste er unbedingt verhindern. »Na ja. Das ist Vergangenheit. Und wird es auch bleiben. Ich möchte lieber über die Gegenwart sprechen.«
Sophie erlaubte sich ein Lächeln und zupfte ihr Oberteil zurecht. »Das glaub ich gern.«
Clayton starrte sie an. Er spürte, wie er langsam die Kontrolle über die Situation verlor. Das durfte er nicht zulassen. »Und du willst es auch, sonst wärst du nicht hier. Hab ich recht?«
Unsicherheit flackerte in ihren Augen auf. Er unterdrückte ein Lächeln. Er hatte sie. Ja, sie konnte ihn in Schwierigkeiten bringen. Aber er sie genauso.
»Ich muss zugeben, ich war überrascht, als ich dich auf dem Schrottplatz gesehen hab. Hast es aber gut überspielt. Richtig gut. Du solltest zum Theater gehen.«
»Du warst auch nicht schlecht«, gab er das Kompliment zurück.
Sie lachte heiser. »Stimmt. Mein schauspielerisches Können kann sich sehen lassen.« Sie taxierte ihn von oben bis unten. »Deine Klamotten sind besser als früher. Mehr Kohle?«
»Mehr Kohle, besserer Job.« Er räusperte sich. »Brandneues Ich.«
Damit erntete er einen weiteren Lacher. »Das möchte ich bezweifeln«, sagte sie spöttisch. »Typen wie du ändern sich nie.«
Er beugte sich vor. »Hör zu, Sophie ... sag mal, muss ich dich eigentlich so nennen?«
»Das ist mein Name. Sophie Gale.«
»Früher hast du dich aber anders genannt.«
»Nur aus beruflichen Gründen. Und alles, was ich damals für dich gemacht hab, Clayton, war rein beruflich.«
»Nein, ich meine noch früher. Ich kannte dich vorher schon, weißt du nicht mehr? Damals, als du noch deinen richtigen Namen benutzt hast. Gail Johnson. Als ich dich bei der Razzia in dem Puff in New Town hochgenommen hab. Hast es weit gebracht seitdem.«
»Dafür soll ich dir wohl dankbar sein, was?«
»Wem denn sonst?«
»Ich würde sagen, ich hab dir oft genug gedankt.«
»Hör mir mal gut zu.« Clayton senkte die Stimme zu einem eindringlichen Flüstern. »Ich
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