Entscheidung auf Mallorca
konnte es nicht wissen, als er wenig später vor dem am Meer gelegenen Hotel »Uyal« anhielt.
»Sieht teurer als das ›Impledo‹ aus«, sagte er nachdenklich.
Peggy zuckte die Achseln. »Nachdem du Harald und Miriam so großzügig beschenkt hast, sollte es dir bei uns auf ein paar Pesetas mehr oder weniger nicht ankommen.«
»Hast recht«, antwortete er, ging in das Hotel und kehrte wenig später strahlend zurück. »Wir haben mehr Glück als Verstand. Gerade morgen werden einige Zimmer frei. Ich hab’ gleich zwei genommen. Mit Balkon und Blick auf das Meer.«
Peggy lachte. »Zwei?«
Er sah sie groß an. »Nun steig schon ein.«
Der Umzug war schnell vollzogen, und als Wulf am Tage darauf von seiner sechsten Schmuggelfahrt zurückkehrte, war er nahe daran, ein Telegramm an die Reparaturwerkstätte in Gerona aufzugeben und Harald zu bitten, noch einen Tag zu warten. Er bereute es, Miriam nicht begleitet zu haben. Von morgens bis abends sehnte er sich danach, sich mit ihr zu versöhnen. Dennoch brachte er es nicht fertig, den entscheidenden Schritt zu tun.
Kismet, dachte er wenige Stunden später. Die waltende Hand des Schicksals hat mich davon abgehalten, Harald zu telegrafieren.
Es sah danach aus. Denn es ereignete sich an diesem Abend etwas, das in der Folge sowohl seinem als auch Peggys Leben eine drastische Wendung geben sollte.
Als er in das Hotel zurückkehrte, übermittelte ihm der Empfangschef einen Anruf Peggys, die darum bat, sie in der Kaktus-Bar abzuholen. Wulf duschte sich, zog ein frisches Hemd an und suchte das am Hafen gelegene Lokal auf, in dem er am Abend zuvor mit Peggy getanzt hatte.
Zu seiner Verwunderung war sie nicht allein. Neben ihr saß ein blendend aussehender älterer Herr. Er hatte stahlblaue Augen und graumeliertes Haar, war braun gebrannt und trug über einem Hemd mit offenem Kragen einen saloppen, blau-weiß gestreiften Pullover. Auf den ersten Blick war ihm anzusehen, daß er ein vermögender Nichtstuer und Charmeur war, der das Leben leichtnahm. Man konnte sich gut vorstellen, daß er sich darauf spezialisiert hatte, den Frauen den Kopf zu verdrehen.
Bei Peggy schien ihm dies bereits gelungen zu sein. Sie strahlte ihn an, als wäre er ein Wunderwesen, lachte girrend und gab sich auch sonst recht merkwürdig.
»Ah, da kommt er ja«, rief sie, als sie Wulf erblickte. Und an ihren Begleiter gewandt: »Das ist mein Studienkollege, von dem ich erzählte. Darf ich die Herren miteinander bekannt machen: Wulf Wesener«, sie blinzelte ihm zu, »ein stud. rer. pol., der es nicht lassen kann, auch in den Ferien täglich einige Stunden an seiner Diplomarbeit herumzutifteln – Baron von Waisen, ein vor Jahren auf Mallorca hängengebliebener Deutscher und Besitzer eines 190 SL, der es nicht lassen kann, sich täglich vorzunehmen, am nächsten Tag energisch zu arbeiten.«
Der Baron reichte Wulf die Hand. »Hätte ich gewußt, eine ebenso charmante wie kluge Studentin kennenzulernen, dann hätte ich in den letzten vierundzwanzig Stunden tüchtig in einem Konversationslexikon gelesen. So aber trieb ich mich herum.«
»Auf See!« fiel Peggy ein. »Der Baron besitzt eine phantastische Motorjacht und lädt uns zu einer Tagestour ein. Mit einem Korb Fressalien und ein paar Flaschen Schampus. Ist das nicht himmlisch?«
Über das Gesicht des Barons glitt ein Lächeln.
Wulf sah es und dachte: Er hat sie durchschaut. Aber es ist schon eine Unverschämtheit, sich als Studentin auszugeben.
Peggy erhob sich und bat darum, sie für einen Augenblick zu entschuldigen. Dabei warf sie Wulf einen vielsagenden Blick zu.
Der Baron bot Zigaretten an. »Darf ich Sie zu einem Aperitif einladen?« – Wulf zögerte.
»Lassen Sie mir den Spaß. Sind ja nur kleine Fische. Im übrigen zahle ich etwa ein Viertel von dem, was Sie zahlen müßten. Einheimische werden nicht geschröpft.« Er lachte. »Komische Welt, wie?«
Wulf nickte. »Wie lange leben Sie schon hier?«
»Fünf Jahre. Ich machte Urlaub wie Sie und – blieb hängen.«
»Schön, wenn man das kann.«
»Ach, wissen Sie, es ist nicht alles Gold, was glänzt. Manchmal ist es verdammt langweilig auf Mallorca. Und wenn zu allem Übel auch noch der Regen ausbleibt und das Wasser in der Zisterne zur Neige geht, dann möchte man davonlaufen.«
»Warum tun Sie es nicht?«
»Das werden Sie kaum verstehen. Ich habe vor den Verbotstafeln der sogenannten freien Welt einen solchen Horror, daß ich nicht einmal mehr für kurze Zeit zum Kontinent
Weitere Kostenlose Bücher