Entscheidung auf Tortola
zu lesen.
Am Nachmittag begann sie sich zu langweilen. Sie griff wieder nach dem Buch, aber im nächsten Augenblick fiel der Strom aus. Bei dem trüben Tageslicht konnte sie nur noch etwas erkennen, wenn sie sich dicht ans Fenster setzte. Sie legte das Buch zur Seite und blickte hinaus.
Steve Carmichael lenkte gerade seinen Wagen in die Einfahrt, und ein paar Sekunden später sprang er hinaus und lief zu seiner Haustür, ohne einen Regenschirm aufzuspannen. Allein das Wissen um seine Anwesenheit hob Laceys Stimmung.
Es wurde Abend, draußen wurde es noch dunkler, und es gab noch immer keinen Strom. Lacey suchte vergeblich nach Kerzen oder einer Petroleumlampe. Sie hatte keine Lust, den ganzen Abend im Dunkeln zu verbringen, und erwog, zum Supermarkt zu fahren und Kerzen zu kaufen. Aber es regnete weiterhin in Strömen, und die Aussicht auf eine Autofahrt war alles andere als verlockend.
Steve hat bestimmt eine Kerze für mich
, dachte Lacey,
und eigentlich kann er nichts dagegen haben, einer Nachbarin in einer solchen Notlage zu helfen.
Sie schaute aus dem Fenster und überlegte, ob Steve in ihrer Bitte einen weiteren Versuch sehen würde, seine Aufmerksamkeit zu erregen.
Ach was, ich bin schließlich kein alberner Teenager, der ihn anhimmelt,
tat sie diese Vorstellung ab.
Ich will mir nur eine Kerze borgen.
Lacey nahm den Regenschirm, den sie bei ihrer Suche gefunden hatte, und eilte aus dem Haus, bevor sie ihre Meinung wieder änderte. Hoffentlich war Steve nicht noch einmal fortgefahren. Nein, sein Wagen stand nach wie vor in der Einfahrt.
Lacey klopfte an die Haustür und hielt den Atem an.
Sie musste einen Augenblick warten, bis Steve öffnete. Er trug noch immer seinen Anzug und hatte nur das Jackett abgelegt und die Krawatte gelockert. In einer Hand hielt er einen Brief, in der anderen eine Lesebrille. Offensichtlich war er in seine Arbeit vertieft gewesen.
Steve runzelte bei Laceys Anblick die Stirn.
“Hallo.” Erwartungsvoll schaute sie zu ihm auf. Ob er sie wohl hineinbitten würde?
“Was gibt’s?” Seine Stimme klang betont gleichgültig, ganz anders als am Vorabend am Strand, aber daran wollte Lacey jetzt nicht denken.
“Bei mir ist der Strom ausgefallen, und ich habe keine Kerzen. Können Sie mir welche leihen?”, bat sie ihn. “Ich möchte bei diesem schrecklichen Wetter nicht zum Supermarkt fahren.”
“Das hätte wohl auch keinen Sinn”, erwiderte er. “Ich bin überzeugt, dass er geschlossen hat. Die Stromversorgung ist auf der ganzen Insel unterbrochen. Haben Sie in Mrs. Tuttles Haus nach Kerzen gesucht?”
“Selbstverständlich.” Für wie dumm und unpraktisch hielt er sie eigentlich?
Steve seufzte leicht und bedeutete Lacey einzutreten.
Nachdem sie den Regenschirm geschlossen und auf der Veranda abgestellt hatte, ging Lacey ins Haus. Sie folgte dem schwachen Lichtschein, der aus einem der Zimmer drang. Steve hatte Sturmlaternen angezündet und überall verteilt, so dass der Raum behaglich und einladend wirkte.
Auf dem Couchtisch waren Papiere und Akten ausgebreitet, auf dem Boden stand Steves Aktenkoffer.
“Haben Sie gearbeitet?”, fragte Lacey.
“In Bridgetown ist der Strom am späten Vormittag ausgefallen, und daher konnte ich nicht mehr viel schaffen. Deshalb habe ich die Arbeit mit nach Hause genommen.” Steve legte die Brille auf den Tisch, und Lacey spürte seine Hand auf ihrem Rücken, als er sie zum Sofa führte.
“Ich will Sie nicht stören, aber ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie mir ein paar Kerzen geben könnten.” Lacey schaute zu den Stapeln von Papier auf dem Tisch, bevor sie sich setzte.
“Sie haben mich bereits gestört, und ich brauche sowieso eine Pause”, erklärte er. “Möchten Sie etwas trinken, während ich die Kerzen hole?” Er schob das Papier zur Seite.
“Gern”, antwortete sie, “aber etwas Alkoholfreies.”
“Natürlich.”
Nur wenige Minuten später kehrte Steve mit zwei großen Gläsern Orangensaft und einigen langen Kerzen in Händen zurück. Er reichte Lacey ein Glas, das sie ihm vorsichtig abnahm, um nicht versehentlich seine Hand zu berühren.
“Hier sind die gewünschten Kerzen”, sagte er und legte diese auf einen Beistelltisch neben dem Sofa. “Hat Mrs. Tuttle keine Petroleumlampen im Haus?”
“Nein, offenbar nicht. Ich habe schon am Nachmittag das ganze Haus durchsucht, weil ich befürchtete, dass der Strom bis zum Abend wegbleibt. Passiert das hier oft?”
Steve zuckte die Schultern. Er hatte in einem
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