Entscheidung der Herzen (German Edition)
sich kaum noch gerade aufrichten konnte. Besonders schwer fiel ihr das Wringen. Die Wäschestücke waren zu groβ, ihre Kraft zu gering. Nur ein paar Tropfen Wasser presste sie heraus, ehe ihr die Arme wie leblos herunterfielen.
Am Abend konnte Cathryn kaum noch gehen. Jeder Knochen im Leib tat ihr weh. Der Rücken schmerzte, die Arme zitterten vor Anstrengung, doch am schlimmsten waren ihre Hände.
Sie waren knallrot, mit kleinen schmerzhaften Rissen, in denen noch immer die Lauge brannte. Ihre einst so rosigenNägel sahen stumpf und glanzlos aus, die Fingerkuppen waren vom Wasser faltig, die Knöchel auf dem Brett bis auf das Blut aufgerieben.
Cassian erschrak, als er Cathryn so sah.
Er barg ihre kleinen Hände in den seinen, in denen sie fast verschwanden und küsste behutsam jeden einzelnen Finger.
Dann lief er zum nächsten Krämer und gab seinen ganzen Tageslohn für ein wenig Sonnenblumenöl und Ringelblumensalbe aus. Er massierte Cathryns Schultern, ihren Nacken und Rücken mit dem öl, dann behandelte er ihre Hände, bestrich sie behutsam mit dem Fett und zerriss zum Schluss das neue Tuch, das über dem Strohsack lag, um sie verbinden zu können.
»Es tut mir so Leid«, sagte er ein um das andere Mal. »Es tut mir so Leid, Cathryn. Vielleicht ist es doch besser, wenn du zurück auf die Jourdan-Manors gehst und dich dem Willen deines Vaters beugst. Vielleicht findest du dort nicht das Leben, von dem du geträumt hast, aber du hast wenigstens ein Leben. Und das ist mehr, als ich dir bieten kann.«
Sie sah Tränen in seinen Augen, die er ängstlich vor ihr zu verbergen suchte. Er kniete vor ihr, hielt ihre verbundenen Hände und das Zucken seiner Schultern verriet seinen Kummer.
»Ich werde mich daran gewöhnen, Cassian«, versicherte Cathryn. »Schon in wenigen Tagen wird mir die scharfe Lauge nichts mehr ausmachen. Hauptsache ist doch, wir sind zusammen, nicht wahr?«
»Ja«, gab er zu, doch in seinen Augen brannte die ohnmächtige Verzweiflung. »Ja, Hauptsache, wir sind zusammen.«
Vorsichtig berührte sie die Wunde an seiner Schulter. Noch immer fühlte sich die Stelle heiβ an. »Lässt der Schmerz nach?«, fragte sie hoffnungsvoll.
»Ja, es geht mit jedem Tag ein wenig besser«, erwiderte Cassian, doch schon bei der geringsten Bewegung verzog sich sein Gesicht, er biss vor Schmerz die Zähne aufeinander und Cathryn wusste, dass er log.
Am nächsten Morgen konnte Cathryn kaum aufstehen. Noch immer schmerzte jeder Muskel in ihrem Körper. Ihre Hände hatten sich ein wenig erholt, doch noch immer war die Haut rissig und rot.
Ohne ein Wort der Klage stand sie jedoch auf und schleppte sich in die Baker Street. Sie stand noch keine zwei Stunden am Zuber, als sie vor Kraftlosigkeit und Erschöpfung zu weinen begann.
Die alte Magd kam ausgerechnet in dem Augenblick in die Waschküche, als Cathryn für einige Minuten auf einem Schemel saβ und sich ausruhte.
»Bist du zum Faulenzen hier? Steh auf und mach, dass du an die Arbeit kommst. Der Herr zahlt dich nicht dafür, dass du dem Herrgott den Tag stiehlst.«
Mühsam rappelte sich Cathryn hoch. Ihre Arme und Hände zitterten, die Knie fühlten sich weich wie Gelee an.
Die Magd betrachtete sie mit leisem Argwohn. »Bist es nicht gewohnt zu arbeiten, wie?«, fragte sie und ihre Stimme klang eine Spur freundlicher.
»Nein«, erwiderte Cathryn. »Ich habe noch nie als Wäscherin gearbeitet.«
Die Magd nickte. »Weich schon heute Abend die Wäschefür den morgigen Tag in Seifenlauge ein, dann geht dir die Arbeit morgen besser von der Hand.«
Sie reichte Cathryn ein kleines Tiegelchen. »Hier«, sagte sie. »Das ist Hammelfett. Es riecht vielleicht nicht gerade nach Rosen, aber es hilft. Trag es am Abend auf deine Hände auf.«
»Danke«, sagte Cathryn und lächelte. »Danke. Ich werde es schon schaffen.«
Die Magd nickte, brummte noch einmal und verlieβ dann die Waschküche.
Zwei weitere Tage vergingen so, doch Cathryn gewöhnte sich nicht an die schwere Arbeit. Jeden Abend kam sie noch gebückter als am Vortag nach Hause. Ihre Hände heilten nicht, im Gegenteil. Aus den kleinen Rissen waren offene Wunden geworden, mit grauen, blutleeren Rändern. Ihre Nägel splitterten und brachen bis zum Fleisch ab. Die Haut war rot entzündet, und weder das Ol noch der Hammeltalg vermochten es, den Schaden, den die Hände am Tag genommen hatten, über Nacht zu heilen.
Am Morgen, pünktlich mit dem Geläut der Kirchenglocken, ging sie ins Haus des Sir
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