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Entscheidung der Herzen (German Edition)

Entscheidung der Herzen (German Edition)

Titel: Entscheidung der Herzen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Thorne
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Stadt. Die ersten sind schon weg und in jeder Minute flieht ein anderer. Die Häuser der Reichen stehen leer. In vielen ist nicht einmal mehr eine Magd oder ein Knecht zu finden.«
    Cathryn nickte.
    »Was ist, wollt Ihr nun meine Sachen kaufen?«
    Cathryn warf den Kopf in den Nacken und erklärte mit Nachdruck. »Nein, Bäuerin. Nicht für diesen Preis. Ihr habt Recht, heute seid Ihr die Einzige hier auf dem Markt. Aber es gibt auch keine Kunden. Für drei Schillinge kaufe ich alles. Keinen Penny mehr.«
    Die Bäuerin seufzte, dann lächelte sie. »Ihr seid doch nicht so unerfahren, wie ich geglaubt habe. Also, gebt mir das Geld und nehmt Euch die Waren.«
    Stolz trug Cathryn ihre Einkäufe nach Hause. Es war das erste Mal, dass sie gefeilscht hatte. Noch nie hatte sie denMut dazu aufgebracht, aus Angst, ausgelacht oder angeschrien zu werden. Doch jetzt war sowieso alles anders und sie tat Dinge, die sie sich nie hätte träumen lassen. Aber wie sollte es nur weitergehen?
     
    Drei Tage später wirkte die Stadt noch immer wie erstarrt. In der leeren Gasse vor ihrem Haus herrschte eine unnatürliche Stille, die nur hin und wieder dem vorbeirumpelnden Wagen des städtischen Leichenträgers unterbrochen wurde. Einmal hatte Cathryn am Fenster gestanden und gesehen, dass die Toten auf dem Wagen einfach übereinander gestapelt wurden. Die Wirtin hatte berichtet, dass es nicht mehr genügend Gräber gäbe. Ohnehin hatten die Pesttoten nichts auf dem Friedhof zu suchen. Vor den Toren der Stadt wurden riesige Gruben ausgehoben, in die man die Leichen einfach direkt vom Karren hineinkippte, dann wurde Kalk darüber gestreut und fertig. Ein Priester stand dabei, schwenkte eine Weihrauchkapsel und betete für die Seelen der Toten. Die Kirchenglocken läuteten von morgens bis abends, doch die Kirchen blieben leer. Niemand, der nicht unbedingt musste, verlieβ seine eigenen vier Wände. Das gesamte Leben Londons war zum Stillstand gekommen.
    Cassian aber bekam von all diesen Dingen nichts mit. Er lag noch immer im Bett, von Fieberträumen geschüttelt. Seine Wunde schloss sich allmählich, nachdem die Maden den Wundbrand weggefressen hatten. Doch sein Körper war sehr geschwächt. Er schaffte es kaum, sich im Bett aufzurichten. Und Cathryn wusste nicht, wie sie ihm helfen konnte.
    Sie besaβen keinen einzigen Penny mehr. Sie selbst hatte seit zwei Tagen nichts gegessen, Cassian hatte am vorangegangenen Abend den letzten Kanten Brot gierig verschlungen.
    Es gab keine Arbeit, niemanden, von dem sie etwas leihen konnte und nichts, das sich verkaufen lieβ.
    Sie drehte sich um und blickte zu Cassian. Er lag wie ein kleiner Junge auf dem Bett, die Beine an den Bauch gezogen, die Arme vor die Brust gepresst. Eine Haarsträhne war ihm in die Stirn gefallen und Cathryn trat zu ihm und strich sie zärtlich zurück. Seine Stirn war noch immer heiβ, doch sein Atem ging ruhig und gleichmäβig. Es war sehr warm im Zimmer und Cassians Oberkörper war unbedeckt. Cathryn sah, wie sich der Brustkorb regelmäβig hob und senkte, doch sie sah auch, dass die Rippenbögen deutlich hervorstachen. Selbst seine Schultern schienen ihr schmaler geworden zu sein.
    Sie seufzte und hätte gern geweint, doch ihre Tränen waren alle verbraucht. Sie hatte keine Tränen mehr, nur noch ein dunkles, groβes Loch aus Angst und Sorgen. Eine Last auf den Schultern, die sie zu erdrücken drohte.
    Ach, wäre ich doch auf Jourdan-Manors geblieben, dachte sie wehmütig. Die Tafel dort war immer reich gedeckt, es gab Brot und Milch, Eier und Fleisch in Hülle und Fülle. Sie hatte in weichen Kissen geschlafen, viele Kleider besessen und ihre Mutter gehabt, die ihr wie eine Freundin mit Rat und Tat zur Seite gestanden hatte. Und David und Jonathan. Die beiden Brüder, die sie über alles liebte. Nun hatte sie nichts. Sie litt Hunger und Durst, schlief auf einem harten Strohsack, ihr Kleid war fadenscheinig geworden, das Haar hatte seinen Glanz verloren und hing ihr in wirren Strähnen ins Gesicht. Sie hatte weder eine Freundin noch Verwandte. Sie war allein. Gottverlassen und mutterseelenallein. Dazu kam die Sorge um und die Verantwortung für Cassian. SeinLeben lag in ihren Händen. Doch wie sollte sie es erhalten? Womit, ohne einen einzigen Penny in der Tasche? Woher sollte sie die Kraft nehmen, alles zu regeln? Sie war müde, so unendlich müde.
    Cathryn ertappte sich dabei, dass sie, als sie beim Klang von Hufgeklapper zum Fenster trat, dem Leichenkarren beinahe

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