Entscheidung der Herzen (German Edition)
Kohlebecken, durchräuchern das ganze Haus, dass sie fast daran ersticken, aber ich sage dir, die Pest holt sich den, den sie will. Es gibt kein Entrinnen.«
Cathryn erschrak. Die Pest! Sie hatte schon so viel von dieser Krankheit gehört, die es vermochte, ganze Städte, ganze Landstriche auszurotten. Aber niemals war sie zu ihren Lebzeiten bis Nottingham gekommen. Trotzdem wusste Cathryn aus den Erzählungen der Eltern und ihrer Amme Margarete alles über diese Seuche, die man auch den schwarzen Tod nannte.
Die ersten Anzeichen der Pest zeigten sich in Form von Fieber, Kopf- und Gliederschmerzen, Benommenheit und schwerer Mattigkeit. An vielen Stellen des Körpers bildeten sich dann Beulen, die so groβ wie ein Fingerwerden konnten und sehr schmerzhaft waren. Nachdem sie eitrig eingeschmolzen waren, konnten sie dann als Geschwür zerfallen. Brachen die Beulen auf oder wurden sie künstlich geöffnet, war eine Heilung in ganz seltenen Fällen möglich. Die letzte Stufe der Krankheit signalisierten zahlreiche Blutungen unter der Haut, die sich schwarz verfärbten. Der Tod, der von qualvollen Schmerzen begleitet war, trat immer schon nach wenigen Tagen ein.
Das alles wusste Cathryn und auch, dass diese Krankheit über die Maβen ansteckend war. Sie stand vor der Bäuerin und wurde plötzlich ganz ruhig.
Nein, die Pest flöβte ihr keinen Schrecken ein. Wenn Gott beschlossen hatte, sie zu sich zu holen, dann war es ihr recht. Ohnehin hatte sie in den letzten Tagen das Gefühl gehabt, dass das Leben zu schwer für sie sei.
Cathryn überlegte, wann sie zum letzten Mal aus vollem Herzen gelacht hatte, wann sie sich zum letzten Mal unbeschwert und leicht gefühlt hatte.
Sie musste lange nachdenken, ehe ihr einfiel, dass das gewesen war, noch bevor Sir Baldwin Humbert ihre Eltern um ihre Hand gebeten hatte.
Den Schwarzen Tod fürchtete sie nicht.
»Nun, wollt Ihr etwas kaufen?«, fragte die Bäuerin und nannte Cathryn einen Preis, der ihr den Atem verschlug.
»Das ist Betrug«, stammelte sie. »Noch gestern kostete ein Ei nicht einmal die Hälfte.«
Die Bäuerin zuckte gleichgültig mit den Achseln. »Gesternwar gestern und heute ist heute. Wenn Ihr nicht wollt, dann versucht doch woanders Euer Glück.«
Sie wies mit der Hand über den leeren Platz. »Bitte schön, Ihr habt die freie Wahl.«
Cathryn überlegte. Zu Hause war nicht mehr als ein winziges Stück harten Brotes und noch ein wenig von Megans Speck.
Das reichte kaum, um Cassians Hunger zu stillen, ganz zu schweigen von ihrem eigenen. Cathryn spürte ihren leeren Magen schon jetzt rumoren.
Sie wusste genau, wie viel Geld sie noch in der Tasche hatte. Unschlüssig trat sie von einem Bein auf das andere.
Ihr Blick wanderte über den Platz, als läge dort irgendwo die Lösung des Problems verborgen.
Zwei Männer kamen aus einer Seitengasse und bei ihrem Anblick stockte Catliryn das Blut in den Adern. Die Männer waren in lange, dunkle Mäntel mit riesigen Kapuzen gehüllt. Auβerdem trugen sie Masken, die ihre Gesichter vollständig bedeckten. Masken, die aussahen wie Vögel mit riesigen Schnäbeln.
»Was ist das?«, fragte Cathryn. »Wer sind diese Männer? Sie sehen aus wie Abgesandte der Hölle.«
Die Bäuerin lachte. »Recht habt Ihr. Es sind die Leichenträger der Stadt. Sie haben Pestmasken vor dem Gesicht. Seht, dort, wo der Schnabel ist, sind Kräuter untergebracht. Sie sollen vor Ansteckung schützen.«
Die Männer waren näher gekommen. Einer von ihnen trug eine Glocke in der Hand, die er bimmelnd schwang, der andere hielt einen Eimer mit aufgelöstem Kalk.
»Wozu der Kalk?«, fragte Cathryn und spürte, wie die Angst ihr nun doch in die Glieder kroch.
»Damit werden die Türen der Pesthäuser gekennzeichnet. Ein weiβes Kreuz wird daran gemalt, damit jeder das Haus und seine Bewohner meidet.«
Cathryn nickte. »Wenn das so ist, so werde ich wohl kaum eine neue Arbeit finden.«, überlegte sie leise, doch die Bäuerin hatte sie gehört.
»Nein«, bestätigte die Bäuerin. »Eine ehrliche Arbeit findet Ihr, während die Pest in der Stadt wütet, wohl nicht. Jetzt ist die groβe Zeit der Diebe, Halsabschneider und Halunken.«
»Wieso das?«, fragte Cathryn, doch im selben Augenblick rumpelte eine verhängte Kutsche an ihren vorüber. Der Kutscher peitschte die Pferde und trieb sie an, so schnell zu laufen, wie sie nur konnten.
Die Bäuerin deutete auf die dahinjagende Karosse. »Deshalb! Jeder, der es sich leisten kann, verlässt die
Weitere Kostenlose Bücher