Entscheidung der Herzen (German Edition)
Zeit aber tauchte eben dieser Flickschneider in London auf. Er war inzwischen ein reicher Puritaner geworden und hetzte in der ganzen Stadt gegen die sündhaften Gewänder, die den Puritanern tatsächlich ein Dorn im Auge waren. Trotzdem gelang es ihm nicht, Feather in den Ruin zu treiben. Wieder schickte der alte Gewandschneider diesen Mann zum Teufel. Als die Pest gerade dabei war sich auszubreiten, kehrte der zweimal abgewiesene Puritaner zurück. Doch diesmal belieβ er es nicht bei Drohungen. Er kam unter dem Vorwand eines Auftrages, hatte jedoch angeblich keine Zeit zum Maβnehmen und lieβ deshalb ein Wams da. Nun, dieses Wams gehörte jemandem, der kurz zuvor an der Pest verstorben war. Meister Feather und seine Gattin steckten sich an, wurden krank und starben. Es war Mord. Wenige Tage später schon brach ein Brand im Haus aus. Ein Mann kam Laetitia zu Hilfe, doch statt das Feuer zu löschen und sie aus dem Haus und in Sicherheit zu bringen, vergewaltigte er sie. Laetitia erkannte in ihm den Puritaner. Um ein Haar wäre Laetitia in den Flammen umgekommen, doch der Wirt der benachbarten Herberge bemerkte das Feuer und rettete Laetitia in letzter Minute. Er nahm sie bei sich auf, und dort lernte ich sie kennen. Nun, ich gestehe, dass sie mir auf Anhieb gefiel. Sie half mir bei der Suche nach Cassian. Am liebsten hätte ich sie mit auf die Jourdan–Manors genommen. Obwohl ich sie erst seit wenigen Tagen kannte, spürte ich in meinem Herzen eine tiefe Gewissheit, dass sie die Frau war, nach der ich schon immer gesucht hatte. Doch als ich sie küsste, lief sie weg. Ich schrieb ihr und kurz darauf erhielt ich einen Antwortbrief, in dem sie mir schrieb, ich solle sie vergessen. Nun, zu diesem Zeitpunkt bat Cathryn mich, mit ihr nach Nottingham zu reisen. Ich hatte mir allerdings vorgenommen, gleich nach ihrer Verlobung mit Sir Baldwin erneut nach London zu reisen, um Laetitia aus dem Wirtshaus auf unsere Manors zu holen. Ihr könnt Euch sicher vorstellen, wie überrascht ich war, sie gestern Abend in der Menschenmenge zu sehen. Sie lief mir wieder davon, doch dieses Mal gelang es mir, sie einzuholen. Ich lieβ nicht locker, bis sie mir erzählte, warum sie vor mir floh. Auch sie hatte Gefallen an mir gefunden. Sie hat mich zurückgewiesen, weil sie schwanger ist. Der Vergewaltiger hatte seinen Samen in sie einpflanzen können. Zu allem Unglück fiel auch noch der Wirt, bei dem sie Unterschlupf gefunden hatte, der Pest zum Opfer. In ihrer Not wusste Laetitia nicht, was sie tun sollte. Doch da hörte sie eines Tages von Cassian. Sie wollte sich ihm anschlieβen und mit nach Amerika gehen, um dort ein neues Leben zu beginnen. Aber auch dieser Traum platzte, da keine Möglichkeit besteht, noch vor ihrer Niederkunft dorthin zu gelangen. Sie hat nichts mehr: Keine Unterkunft, keine Mittel, keine Freunde. Der unbekannte Puritaner hat ihr alles genommen, was ihr jemals wichtig war.«
»Ach, Gott, das arme Ding!«, seufzte Lady Silvana und wischte sich mit ihrem Taschentuch die Augen.
Sie war so mit dem Schicksal der Gewandschneidertochter beschäftigt, dass sie das Naheliegendste vergaβ.
Cathryn aber fragte: »Und du? Liebst du sie immer noch?«
David nickte. »Ihr Schicksal hat nichts an meinen Gefühlen geändert. Im Gegenteil. Das Bedürfnis, Laetitia zu beschützen, für sie zu sorgen und sie in meiner Nähe zu haben, ist noch stärker geworden.«
»Und ihre Schwangerschaft?«
David zuckte mit den Schultern. »Jedes Kind ist ein Geschenk Gottes, über das man sich freuen sollte.«
Cathryn nickte. Sie hatte nichts anderes erwartet. »Wo ist Laetitia jetzt?«, fragte sie.
David druckste ein wenig herum, doch dann rückte er mit der Sprache heraus. »Ich habe für sie ein Zimmer in einer kleinen Herberge gesucht. Dort wartet sie auf mich. Ich werde sie mit auf die Jourdan–Manors nehmen. Ich liebe sie und seit gestern weiβ ich, dass auch sie mich liebt. Nur aus Scham ist sie vor mir weglaufen.«
»Aber warum hast du sie denn nicht mitgebracht? Ist dir unser Haus nicht groβ und behaglich genug?«, fragte Sil–vana.
David senkte den Kopf und kratzte verlegen mit einem Finger an einem unsichtbaren Fleck auf seinem Wams herum. »Nun, ich dachte … ähem, du kennst sie ja gar nicht, und… «
Jetzt lachte Silvana aus vollem Herzen. »David, gib es zu, du hast gedacht, du könntest eine ledige Schwangere nicht in das anständige Haus deiner Tante bringen, nicht wahr?«
»So ähnlich«, gab David zu. »Dein
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