Entscheidung der Herzen (German Edition)
hast du einen groβen Teil der Nottinghamer Bürger und die eigene Familie gegen dich. Das Parlament ist verpflichtet, sich aus der Urteilsverkündung herauszuhalten und steht in jedem Fall mit weiβer Weste da. Auch, wenn es ihm gelungen ist, gleichzeitig ein Exempel gegen die Aufrührer zu statuieren. Was auch immer du tust, du machst dir Feinde fürs Leben.«
» Du bist eine kluge Frau, Silvana, denn genauso ist es.«
Sie stand neben seinem Stuhl, und er nahm ihre Hand und führte sie an seine Lippen. »Ich liebe dich, Silvana, das weiβt du. Ich möchte, dass es dir gut geht, du alles hast, was du benötigst, auβerdem weiβ ich, wie sehr du deine Familie liebst. Doch um uns all das zu erhalten, brauche ich deine Hilfe. Du hast viel Phantasie. Und diese Gabe kann uns vielleicht noch retten. Bitte, Silvana, denke nach.«
»Hmmm«, machte Silvana und ging zum zweiten Mal an diesem Tag zu der Karaffe mit dem Portwein. Sie goss zwei Gläser ein, trug sie zum Tisch und lieβ sich mit einem Seufzen neben ihrem Mann in einen bequemen Stuhl sinken.
Der Abend war inzwischen hereingebrochen und die Magd kam aus der Küche und fragte, wann sie das Abendessen auftragen sollte.
»Noch nicht, Linda«, sagte Silvana Whitechap. »Ich glaube, meinem Mann und mir ist der Appetit vergangen.Aber unsere Gäste sollen darunter nicht leiden. Schick jemanden zu Cathryn, David und Laetitia und frage sie, wann sie das Abendmahl wünschen. Wir aber wären gerne für die nächste Stunde ungestört.«
Das Mädchen hatte kaum »sehr wohl, Mylady« gesagt und ordentlich geknickst, als Cathryn die Treppe herunterkam. Ihr Schritt war langsam und sie hielt die Schultern gesenkt, als ob ihr eine schwere Last im Nacken säβe. Sie gesellte sich zu ihrem Onkel und ihrer Tante und gab zu: »Ich habe euch belauscht. Ich habe alles mit angehört. Und jetzt bitte ich euch, lasst mich an eurem Nachdenken teilhaben. Lasst uns alle gemeinsam überlegen, wie wir Cassian und uns allen helfen können.«
Silvana nahm die Hand ihrer Nichte und streichelte sie. »Du bist ein tapferes Mädchen, Cathryn. Ich bin sehr stolz auf meine Nichte. Und jetzt setz dich zu mir und lass uns nachdenken.«
Eine Weile saβen sie schweigend beieinander. Lord Benjamin Whitechap stierte auf einen unbestimmten Punkt an der Wand, als stünde dort des Rätsels Lösung. Silvana starrte auf die Flammen im Kamin, hielt ihre Hände unruhig im Schoβ und nahm hin und wieder einen Schluck aus ihrem Portweinglas. Cathryn scharrte nervös mit den Füβen über das blank polierte Parkett und hatte groβe Mühe, ihre Gedanken zu bündeln. Noch immer litt sie an einer Müdigkeit, die nicht allein vom Schlafmangel herrührte. Nein, es war wohl eher so, dass sie des Lebens, welches sie zurzeit führte, müde war. Beim Gedanken an die Zukunft überfiel sie Trostlosigkeit. Am liebsten hätte sie den Kopf in Silvanas Schoβ gelegt, die Augen geschlossen und alles um sich herum vergessen. Sie sehnte sich so nach Ruhe undWärme, nach Liebe und Geborgenheit, dass es in ihrem Inneren schmerzhaft brannte. Doch jetzt war nicht die Zeit zum Ausruhen. Sie musste ihr Ruhebedürfnis auf später verschieben. Jetzt ging es darum, Cassian vor dem Tod und die Whitechaps vor dem Verlust ihres guten Rufes und ihres Besitzes zu retten.
Cathryn sammelte ihre Gedanken. Was sind die Fakten?, fragte sie sich. Cassian sitzt im Kerker und Benjamin soll ihn übermorgen aus diesem Kerker holen, vor das Gericht bringen, verurteilen und das Urteil sofort vollstrecken. Was wäre aber, wenn Cassian nicht mehr im Kerker wäre? Dann könnte er nur in Abwesenheit verurteilt werden. Ihm wäre dann zumindest das Leben sicher.
Wie also könnte man Cassian aus dem Verlies befreien? Sie wusste, dass die Gefangenen im Keller des Nottinghamer Rathauses auf ihre Verurteilung warteten. Niemand auβer dem Gerichtsdiener und den Stadtschergen hatte Zugang. Es gab dort keine Fenster und damit keine Möglichkeit, von auβen einzudringen.
Auf eine Befreiung Cassians aus dem Verlies zu bauen, wäre aberwitzig. Plötzlich fiel ihr etwas ein: »Sag, Onkel Benjamin, ist es den Todeskandidaten nicht gestattet, einen letzten Wunsch zu äuβern?«
Benjamin Whitechap nickte. Silvana hob den Kopf und musterte ihre Nicht aufmerksam. Cathryns Augen hatten zu strahlen begonnen, ihr Gesicht war von einer sanften Röte überzogen, ihre Mundwinkel zuckten übermütig.
»Nun«, sprach sie weiter. »So könnte es doch möglich sein, dass der
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