Entscheidung der Herzen (German Edition)
nicht zwei Mal sagen. Mit einem zackigen »Stets zu Diensten, die Herren«, verschwand er in Windeseile aus dem Verlies und Cathryn wälzte sich noch ein wenig stöhnend am Boden, bis seine Schritte verklungen waren.
Dann, als einer der Schergen nach ihrer Brust fasste, uro den Herzschlag zu prüfen, sprang sie auf die Füβe, versetzte dem Wachmann eine klatschende Ohrfeige und schrie: »Nehmt Eure Pfoten von mir! Was fällt Euch ein! Ich werde meinem Onkel, dem obersten Richter Lord Benjamin Whitechap berichten, dass Ihr mich unsittlich berührt habt.«
Die beiden Wachmänner standen vor ihr, als wären sie vom Donner gerührt, und es dauerte eine ganze Weile, ehe sie begriffen, dass sie gerade selbst den schwersten Verbrecher, den Nottingham derzeit zu bieten hatte, zur Flucht verholfen hatten.
Ihre Gesichter spiegelten ihr langsames Verstehen, die tumbe Ratlosigkeit wechselte zu Ungläubigkeit und machte dann blankem Entsetzen Platz. Sie sahen sich an und dann rannten sie wie auf ein geheimes Kommando aus dem Verlies und dem Flüchtenden hinterher, der sich zu dieser Zeit bereits in der rettenden Kutsche befand, und lieβen Cathryn, wo sie war.
Sie zog ihre Kleider zurecht, rückte auch den Hut geradeund schlüpfte barfuβ – denn Cassian,, dem man die Stiefel abgenommen hatte, trug ja nun das von David geliehene Schuhwerk – den dunklen Gang entlang, lief durch die Halle des Rathauses und atmete tief durch, als sie sich endlich im Freien befand.
Silvana, Laetitia und David warteten bereits auf sie.
»Komm, schnell, zieh dir Schuhe an, damit du dich nicht erkältest«, befahl Silvana und reichte ihrer Nichte ein Paar feiner, mit Pelz gefütterte Lederschuhe. David legte ihr einen Umhang über die nasse Kutte und zum Schluss nahm Laetitia ihr noch den Hut vom Kopf und ersetzte ihn durch eine überaus weibliche Kopfbedeckung.
»Hat alles geklappt?«, fragte Cathryn, während die anderen noch an ihr herumhantierten.
Silvana kicherte. »Es war ein Bild für die Götter, einen so groβen und starken Mann zu sehen, der in einem damenhaften Umhang auf weibliche Gröβe zusammengeduckt so schnell wie ein Hühnerdieb über den Platz rannte, dass er um ein Haar in einer Pfütze ausgeglitten wäre. Zum Glück konnte unser Kutscher ihn nicht noch rechtzeitig am Arm packen und in die Kutsche ziehen.«
Auch David lachte: »Die Schergen waren ebenfalls sehenswert. Kaum war die Kutsche um die Ecke gebogen, stürmten sie auch schon aus dem Rathaus, rannten kopflos mal hierhin, mal dorthin, bis sie endlich begriffen, dass Cassian spurlos verschwunden war. Nun, dann standen sie da, einer kratzte sich am Kopf, der andere kratzte sich am Kinn, bis sie schlieβlich mit gesenkten Häuptern und schuldbewussten Mienen zurück ins Rathaus schlichen, um Meldung über ihr Vergehen zu machen.«
»Ja«, stimmte Laetitia zu. »Lord Whitechap war sofreundlieh, das Fenster seiner Gerichtsstube offen zu lassen und ich bin sicher, wir werden gleich hören, was sich dort abspielt.«
Sie hatte den Satz kaum beendet, als man auch schon die Stimme des Richters über den Platz schallen hörte: »WAS?? WAS SAGT IHR DA? IHR TöLPEL HABT CASSIAN VON ARDEN AUS VERSEHEN ENTLASSEN? DAS GLAUBE ICH NICHT!!! SO DUMM KANN DOCH NICHT EINMAL EIN STADTSCHERGE SEIN!«
»Aber wir wollten doch nur… «, hörte man den einen Mann stammeln.
»RUHE!«, donnerte Benjamin Whitechaps Stimme über den Platz. »UND RAUS MIT EUCH, EHE ICH MICH VERGESSE.«
Man hörte noch das Klappen einer Tür, dann herrschte wieder Stille. Einige Augenblicke später sah man Lord Whitechap am Fenster. Er würdigte die kleine Gruppe keines Blickes, sondern schlug die Fensterflügel zu und verschwand im Inneren des Raumes.
»So!« David rieb sich die Hände und legte einen Arm um Laetitia, den anderen aber um Cathryn. »Ich glaube, für uns gibt es in Nottingham im Augenblick nicht mehr viel zu tun. Auβerdem denke ich, dass wir die Gastfreundschaft unserer Tante und unseres Onkels so sehr genossen haben, dass die beiden jetzt erst einmal ein wenig Ruhe brauchen.«
»Ach«, lächelte Lady Silvana sehr charmant. »Das ist doch nicht der Rede wert.«
»Jedenfalls«, fuhr David fort, »werden wir morgen früh zurück auf die Jourdan-Manors fahren und sehen, welchen Schaden Sir Baldwin Humbert dort inzwischen angerichtet hat. Auβerdem hoffe ich sehr, dass du, liebe Silvana, dich so schnell von unserem überfallartigen und ziemlichturbulenten Besuch erholen wirst, dass du
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