Entscheidung in Cornwall
dein Einverständnis.«
»Nein«, sagte er und drückte wütend seine Zigarette aus, »die brauchst du nicht. Aber du bekommst sie trotzdem zu hören.« Als sie sich abwenden wollte, packte er sie am Arm. Und die Art, wie er zupackte, strafte seinen kühlen Tonfall und den eisigen Blick Lügen.
»Lass mich los!«, verlangte Ramona hitzig, legte die Hand auf die seine und bemühte sich vergeblich, ihren Arm zu befreien.
»Sobald ich fertig bin.«
»Du bist fertig.« Ihre Stimme klang plötzlich ganz ruhig, und sie ließ von ihren verzweifelten Befreiungsversuchen ab. Stattdessen sah sie ihm mit einem brennenden Blick voll in die Augen. »Ich brauche mir deine Beleidigungen nicht anzuhören, Brian. Und ich werde sie mir auch nicht anhören. Du kannst mich natürlich daran hindern, wegzugehen, weil du stärker bist als ich, aber du kannst mich nicht zwingen, dir zuzuhören.« Sie schluckte. »Ich führe mein eigenes Leben. Du hast gewiss ein Recht auf deine Meinung, doch du hast nicht das Recht, mich damit zu verletzen. Ich will jetzt nicht mit dir sprechen, ich möchte nur, dass du mich gehen lässt.«
Er schwieg so lange, dass Ramona schon glaubte, er werde sich weigern. Dann lockerte er langsam den Griff. Wortlos verließ sie das Zimmer.
Vielleicht lag es an der Aufregung, die die Auseinandersetzung mit Brian ihr gebracht hatte, vielleicht am Regen, der gegen die Fenster peitschte, oder an dem plötzlich ausbrechenden Gewitter mit Donnergetöse und grellen Blitzen: Der Traum formte sich aus einer Bildmontage verwischter Kindheitserinnerungen und hinterließ bei Ramona lebhafte Eindrücke. Gedanken und Bilder tauchten auf und verloren sich in der Dunkelheit des Schlafs. Gefühle brandeten heran und ebbten wieder ab – Furcht, Schuldbewusstsein und Hoffnungslosigkeit gingen ineinander über, verschmolzen miteinander, während Ramona sich stöhnend unter den Laken drehte und wälzte und sich zwingen wollte aufzuwachen. Doch sie saß in der Falle, wurde in einer Welt festgehalten, die ganz dicht an der Schwelle des Bewusstseins lag. Dann schien der Donner in ihrem Kopf zu explodieren, und der grelle Blitzstrahl füllte das Zimmer mit weißem Licht. Mit einem Aufschrei fuhr Ramona in die Höhe.
Das Zimmer war wieder stockdunkel, als Brian hereinstürzte, und er fand nur zum Bett, weil er Ramonas wildes Schluchzen nachging.
»Ich bin ja hier, Ramona, mein Liebes«, sagte er, und sie warf sich, als er sie erreichte, wortlos in seine Arme, klammerte sich an ihn. Sie zitterte heftig, und ihre Haut war eiskalt.
Brian wickelte sie in die Steppdecke und drückte sie an sich. »Wein nicht, mein Liebes, hier bist du sicher.« Er tätschelte und streichelte sie wie ein Kind, das sich vor dem Gewitter fürchtete. »Es ist bald vorbei.«
»Halt mich fest.« Sie presste das Gesicht an seine bloße Schulter und atmete rasch, als bekomme sie nicht genug Luft. Ihre Kehle brannte. »Ich hatte einen furchtbaren Traum, Brian.«
Er wiegte sie und küsste sie leicht auf die Schläfe. »Was hast du geträumt?« Aus seiner Kindheit wusste er noch, dass die Furcht verging, wenn man jemandem den Traum erzählen konnte.
»Sie hatte mich wieder allein gelassen«, sagte Ramona leise und schauderte, sodass er sie noch fester an sich zog. Dann wurden ihre Worte genauso unzusammenhängend wie ihre sich überstürzenden Gedanken und verworren wie ihr Traum. »Wie ich es hasste, in diesem Zimmer allein zu sein! Das einzige Licht kam vom Nebenhaus, von einer blinkenden roten Neonreklame, die ständig an- und aus-, an- und ausging, sodass es nie richtig dunkel wurde. Und so viel Lärm auf der Straße, auch dann noch, wenn die Fenster zu waren. Viel zu heiß … viel zu heiß zum Schlafen. Ich beobachtete das blinkende Licht und wartete darauf, dass sie zurückkäme. Sie war wieder betrunken.« Ramonas Hand, die auf seiner Brust lag, zuckte. »Und sie brachte einen Mann mit. Ich zog mir das Kissen über den Kopf, um nichts zu hören.«
Ramona unterbrach sich und bemühte sich, ruhiger zu atmen. In Brians Armen fand sie Geborgenheit. Vor den Fenstern tobte das Gewitter mit unverminderter Kraft und Lautstärke.
»Sie fiel die Treppe hinunter und brach sich den Arm, also zogen wir in eine Wohnung zu ebener Erde, aber es blieb stets das Gleiche. Schmuddelige, kleine Zimmer, stickige Zimmer, in denen es immer nach Gin roch, egal, wie sehr man sie schrubbte. Dünne Wände, die einem alles über das Leben der Nachbarn verrieten, als wohne man mit
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