Entscheidung in Gretna Green
Wobei sie nicht vergessen durfte, dass sie mit dem Verlust ihres Vermögens auch ihre hart erkämpfte Unabhängigkeit verlieren würde, die Felicity um keinen Preis der Welt aufgeben würde.
„Mal angenommen, ich hätte mich geirrt, als ich dir sagte, ich könne keine Kinder bekommen.“
Sie erschrak über ihre Unbesonnenheit. Aber die Frage hatte sich gegen ihren Willen aus ihrem Mund gedrängt. „Würde das einen Unterschied für dich machen?“
Mit angehaltenem Atem wartete sie auf Hawthorns Antwort.
„Ich wünschte, ich könnte dir etwas anderes sagen, meine Liebe.“ Er drückte ihre Schulter zärtlich, bevor er seinen Arm von ihr löste und die Zügel wieder aufnahm. „Ja, es würde einen Unterschied machen, fürchte ich.“
Felicity war zumute, als werde ihr das Herz aus der Brust gerissen, auf die Straße geworfen und unter den Rädern der Kutsche zerquetscht.
Sollte er reden, so lange er wollte, wie falsch es sei, Geheimnisse voreinander zu haben – als würde ihr Gewissen sie nicht schon genug plagen. Selbst wenn sie die geschmacklose Frage nach Geld und Vermögen außer Acht ließe, niemals würde sie einen Mann heiraten, der sie nur als Zuchtstute schätzte, die ihm Nachkommen in die Welt setzte.
Nicht einmal dann, wenn sein Kind in ihr heranwuchs.
Er hatte sie offensichtlich gekränkt.
Obwohl man bei Felicity nie so genau wusste, woran man war, weil sie nicht schmollte oder klagte. Stattdessen setzte sie eine Maske spöttischer Heiterkeit auf, wechselte das Thema und sprach über gemeinsame Bekannte in Bath. Eine ähnlich seichte Plauderei hätte er auch mit Weston St. Just führen können.
Am Nachmittag hatten sie in Wolverhampton Rast gemacht, um die Pferde zu versorgen, danach hatten Mr. Hixon und Ned ihre Plätze wieder eingenommen, die sich etwas erholt zu haben schienen. Hawthorn und Felicity hatten es sich wieder einigermaßen in der Kutsche bequem gemacht für die letzte Etappe ihrer Reise nach Trentwell.
Er hatte begonnen, ein weiteres Abenteuer aus seiner Jugend mit Merritt, Rosemary und Ivy in den Sommermonaten auf Barnhill zum Besten zu geben, aber Felicity hatte ihn unterbrochen und es vorgezogen, über Bath zu plaudern.
Er konnte sich des Eindrucks nicht erwehren, sie wolle ihn wieder auf Distanz halten, nachdem sie ihm zu viel Nähe gestattet hatte.
Ihr subtiler Verweis kränkte ihn zwar, andererseits erheiterte sie ihn mit ihrem Wortwitz und ihrer Erzählgabe.
Bald aber hörte er ihr nur noch mit halbem Ohr zu, nickte gelegentlich oder lachte leise, wenn Felicity es von ihm zu erwarten schien, da er zu sehr damit beschäftigt war, den Glanz ihrer Augen und den seidigen Schimmer ihres dunklen Haares zu bewundern. Er liebte die Art, wie sie den Kopf seitlich neigte und die Anmut ihrer Handbewegungen, wenn sie ihren Worten Nachdruck verliehen.
Jede Kleinigkeit an ihr war ihm so vertraut geworden in den wenigen Wochen ihrer Bekanntschaft, und Trauer beschlich ihn bei dem Gedanken, dass das alles bald nur noch Erinnerung wäre, die umso schneller schwinden würde, je heftiger er versuchte, sie festzuhalten.
Noch vor einer Woche hätte er sich von ihrer aufgesetzten Heiterkeit täuschen lassen. Aber die vertraulichen Momente während dieser Reise hatten Felicity ihm nähergebracht. Natürlich hatte seine Bemerkung, dass ihn ihre Kinderlosigkeit störte, sie verletzt. Nun versuchte sie ihren Rückzug mit einem Ablenkungsmanöver zu kaschieren. Sie durfte keine Vertraulichkeit riskieren, um ihm keine Gelegenheit zu geben, sie noch einmal zu kränken.
Was ist falsch daran, ihr die Wahrheit zu sagen?, wollte Hawthorn aufbegehren.
Ein anderer hätte sie möglicherweise mit einer diplomatisch formulierten Ausflucht beschwichtigt oder mit einer glatten Lüge. Aber er hatte nun mal kein Geschick, andere zu täuschen. Im Übrigen war seine Zuneigung zu groß, um Felicity nicht die Wahrheit zu sagen.
Er wünschte sich eigene Kinder. Nicht nur, um den Familiennamen weiterzuführen, sondern weil er seine Kinder mit Liebe aufwachsen lassen und erziehen wollte. Er wollte seinen Kindern Sicherheit bieten und sie zu wertvollen Menschen heranwachsen sehen.
So wie er sich bemüht hatte, seine Schwestern großzuziehen, nur diesmal mit wesentlich mehr Erfahrung. Denn für seine Kinder würde er die Verantwortung von Geburt an übernehmen, während ihm die Verantwortung für seine Schwestern aufgezwungen worden war in einem Alter, da er selbst noch ein halbes Kind war.
Würde sich ihm die
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