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Entschuldigen Sie Meine Stoerung

Entschuldigen Sie Meine Stoerung

Titel: Entschuldigen Sie Meine Stoerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan-Uwe Fitz
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will.«
    »Käse?«
    »Nein. Ich habe übrigens schon einmal Konfrontationstherapie gemacht.«
    »Und?«
    »War ganz schön. Habe den Therapeuten über meine wahren Probleme belogen. Habe ihm erzählt, ich hätte Flugangst statt Menschenangst.«
    »Und?«
    »Ich hatte einen netten Flug nach Mallorca, auf Kosten der Krankenkasse.«
    »Wurde Ihr Therapeut nicht skeptisch?«
    »Doch, er meinte, für eine Konfrontationstherapie in Sachen Fliegen sei ich zu freudig erregt. Ich habe beim Start und bei der Landung immer ›Huiiiiiiiiii‹ gerufen. Sagen Sie, sind die Menschen hinter mir schon weg?«
    »Nee, noch nicht.«
    »Es dauert bestimmt nicht mehr lange, und es kommt zu Tumulten.«
    »Die werden sich dann aber gegen Sie richten. Sie halten ja den Verkehr auf.«
    »Ich könnte mir vorstellen, dass der Mob in dem Chaos Ihre Wurstauslage plündert.«
    »Soll er. Wir sind gegen Wurstverlust versichert.«
    »Ach, wissen Sie, eigentlich suche ich doch nur jemanden, mit dem ich reden kann. Oft reicht schon eine Gesprächstherapie. Vielleicht hilft es mir, wenn ich Ihnen erzähle, dass ich unter Menschenangst leide.«
    »Haben Sie ja schon. Hat aber nicht geholfen, oder?«
    »Nein. Aber ich könnte es noch einmal probieren.«
    »Muss es mich interessieren, damit es Ihnen hilft?«
    »Ich glaube nicht. Mich interessiert ja auch nicht, dass Sie Wurst verkaufen, und am Ende habe ich trotzdem die Wurst.«
    »Wir verkaufen ja keine Wurst, wir verleihen sie nur.«
    »Ach, echt? Sie sind ein Wurstverleih?«
    »Wissen Sie, ich hätte lieber einen anderen Beruf. Sie ahnen ja nicht, mit was für Typen man es in so einer Metzgerei zu tun hat.«
    »Mit was für welchen denn?«
    »Hier, sehen Sie mal. Habe ich heimlich aufgezeichnet.«
    Sie zeigt mir das Display ihres Handys, und ein Film läuft ab.
    Eine alte Frau sagt: »Guten Tag. Ich hätte gern 200 Gramm Hack.«
    Der Metzger antwortet: »Ihr Pferd dürfen Sie aber nicht mit reinbringen.«
    »Das ist kein Pferd, das ist ein Gnu.«
    »Egal, das darf hier auch nicht rein.«
    »Draußen steht aber nur, dass Hunde nicht rein dürfen.«
    »Das schließt Gnus und Pferde mit ein.«
    »Und Iltisse?«
    »Die dürfen rein.«
    »Ist das nicht ein bisschen willkürlich?«
    »Ein bisschen? Das ist total willkürlich. Aber ich mache die Gesetze nicht.«
    »Ich bin nicht bereit, mein Gnu draußen zu lassen. Das wird mir doch geklaut.«
    »Wer klaut denn schon ein Gnu?«
    »Entschuldigen Sie, ich habe gerade nicht zugehört, was sagten Sie?«
    »Entschuldigen Sie, ich habe gerade nicht zugehört, was sagten Sie? Ich würde jedenfalls sagen, wir einigen uns nicht. Rufen wir die Polizei.«
    »Wie bitte? Ich habe gerade nicht zugehört.«
    »Wie bitte? Ich habe gerade nicht zugehört.«

14
    Nicht dass mich die Geschichten der Metzgerin nicht interessiert hätten, aber ich habe die Metzgerei gewechselt, in der Hoffnung, auf einen Psychiater zu treffen. Nach fünf gescheiterten Versuchen habe ich die gelben Seiten aufgeschlagen und einfach einen Therapeuten herausgesucht. Bei diesem Herrn war ich dann einige Zeit in Behandlung.

15
    »Sie haben recht«, unterbricht mein Therapeut unser dreißigminütiges Schweigen, »das ist wirklich eine blöde Sache.« Der Satz ist befreiend, und zwar nicht so sehr wegen seines therapeutischen Nutzens. Die letzte halbe Stunde hatte ich schließlich doch ziemlich verkrampft auf meinem Stuhl in seiner Praxis gesessen, trotz meines Versuchs, seinem Rat (»Sie müssen lernen, auch Schweigen auszuhalten«) so entspannt wie möglich nachzukommen. Stille zu ertragen ist normalerweise nicht mein Problem, ich kann problemlos zwei Stunden in Gesellschaft aushalten, ohne dass auch nur ein einziges Wort gesprochen wird, das lernt man sehr schnell, wenn man Menschenangst hat, sich aber aus Pflichtgefühl und Höflichkeit noch nicht komplett von allen Menschen zurückgezogen hat. Aber dreißig Minuten sind einfach eine verdammt lange Zeit, wenn Sie für eine Therapiestunde à fünfzig Minuten richtig viel Geld bezahlen.
    Ich jedenfalls werde in diesen Minuten der Stille schnell unruhig, rutsche unbehaglich auf meinem Stuhl hin und her, weil mich der Gedanke »Puh, so ein Schweigen muss man sich aber auch erst leisten können« komplett gefangen nimmt. Hinzu kommt: Ich kann unglaublich gut Gesichter lesen. Und im Gesicht meines Psychotherapeuten steht während unserer Schweigephasen immer: »Hihi, Rumsitzen und Schweigen ist echt leicht verdientes Geld. Hihi.« Auf meinen

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