Entschuldigen Sie Meine Stoerung
Sogar, dass ich mit dir schlafe.«
»Nur wenn die Atmosphäre stimmt.«
Ich sehe ihr in die Augen, nehme meinen ganzen Mut zusammen und frage: »Wärst du denn bereit, mit mir aufs Damenklo zu gehen und dort hemmungslos Liebe zu machen?«
»Nein.«
»Vielleicht stark gehemmt Liebe zu machen?«
»Auch nicht.«
»Plopp.«
Ja, liebe Leser. Sie haben recht: Manchmal bin ich ein richtiges Glückskind. Wie wahrscheinlich ist es schon, dass man ein solch niederschmetterndes Gespräch direkt vor einer Nervenklinik führt? Ist das nicht ein unfassbares Glück? Ich bin am Boden zerstört und würde mich am liebsten umbringen. Ich wäre doch bescheuert, zu solch drastischen Mitteln zu greifen, wenn ich bereits am Eingang zu einer Nervenklinik stehe. Wenn mir irgendwer helfen kann, dann die. Ich habe schon Pferde vor der Apotheke kotzen sehen. Aber noch keinen Irren sich vor der Nervenklinik den Kopf wegschießen. Nur ein paar Schritte, und ich kann mir helfen lassen. Gegen meine Depression angehen. Mich heilen lassen. Und ein neues Leben beginnen.
Und so betrete ich, nachdem ich mich von meiner alten Freundin verabschiedet habe, das Foyer der Klinik.
Tag 1 in der Klinik
In meinen Augen ist das unterlassene Hilfeleistung. Eine Privatklinik kann doch einen Patienten nicht abweisen, nur weil er nicht weiß, wer er ist. Als könnte ich etwas dafür, dass ich mein Gedächtnis verloren habe. (Psst: Ich simuliere nur. Ich weiß sehr wohl, wer ich bin (leider). Aber das kann die Empfangsdame nicht wissen. Zumal ich unheimlich überzeugend wirke, wenn ich mir das Selbstlob an dieser Stelle erlauben darf.)
»Kommen Sie mir nicht so«, geht sie mich mit schnarrender Stimme an, »Sie wissen genau, wer Sie sind. Sie wollen nur nicht, dass ich Sie wegschicke.«
»Ach ja? Woher wollen Sie das denn wissen?«, halte ich kämpferisch stand. »Ich habe keinen blassen Schimmer, wer ich bin. Aber wenn Sie mehr wissen, bitteschön, sagen Sie es mir. Ich bin dankbar für jeden Tipp.«
»Sie haben sich am Anfang des Gesprächs mit Ihrem Namen vorgestellt. Erst als ich Ihnen gesagt habe, dass wir Sie ohne die schriftliche Kostenübernahme Ihrer Krankenkasse oder eine Vorauszahlung in Höhe von 5000 Euro nicht aufnehmen können, haben Sie zufällig Ihr Gedächtnis verloren.«
»Ach ja? Keine Ahnung, ich erinnere mich nicht daran. Aber wen wundert’s, dass man bei Ihren Preisen vergisst, wer man ist. Als wen habe ich mich denn ausgegeben?«
»Als Jan-Uwe Fitz.«
»Jan-Uwe Fitz? Sagt mir nichts«, lüge ich und lege den rechten Zeigefinger auf meine Lippen. Mit dieser klischeehaften Geste möchte ich unterstreichen, dass ich nachdenke. Natürlich hätte ich auch auf dieses platte Bild verzichten können, aber die Frau soll nicht daran zweifeln, dass ich über mich nachdenke. Nicht dass sie glaubt, ich sei einfach nur sprachlos.
»Sie lügen«, wirft sie mir vor.
Sie wissen es längst, lieber Leser: Natürlich lüge ich. Aber woher soll ich denn bitte die Kostenübernahme meiner Krankenkasse bekommen? Und 5000 Euro besitze ich auch nicht. Ich kann mich nicht einmal erinnern, jemals einen Betrag mit so vielen Nullen gesehen zu haben. Um dennoch einen Platz in der Privatklinik zu bekommen, bleibt mir eben nur, die Karte Identitäts- und Gedächtnisverlust zu spielen – und einen Notfall vorzutäuschen.
»Gehen Sie in eine andere Klinik«, raunzt mich die Empfangsdame an. »Es gibt viele staatliche Einrichtungen, die sich um Menschen wie Sie kümmern. Und Ihre Krankenkasse bezahlt Ihnen sogar den Aufenthalt.«
»Ich will aber in diese Klinik«, beharre ich wie ein trotziges Kind. »Ich habe schon so viel Gutes von Ihrem Haus gehört.«
»Was denn?«
Ich denke scharf nach. Mit dieser Frage habe ich nicht gerechnet. Denn natürlich habe ich nichts Gutes gehört, genau genommen habe ich noch nie etwas von dieser Klinik gehört. Bis ich zufällig vor ihr stand. Also lüge ich weiter:
»Auf meinem Spaziergang durch den Wald habe ich einen Mann getroffen, der ausgesprochen guter Dinge war. Ich hielt ihn an und fragte: ›Junger Mann, Sie wirken so ausgelassen. Was ist Ihnen denn widerfahren?‹ Und wissen Sie, was er geantwortet hat?«
»Nein, und es interessiert mich auch nicht«, bellt die Empfangsdame.
»Er sagte: ›Ich komme gerade aus der privaten Klinik im Wald und nicht an der Oper . Nicht weit von hier. Dort wurde ich geheilt. Mir geht es ja so gut, so gut, so gut! Bevor ich in der Anstalt war, war ich immer ganz traurig. Ich
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