Entschuldigen Sie Meine Stoerung
überrascht.
»Wohl.«
»Nein.«
»Na, na, na?« Ich blicke sie gespielt misstrauisch an.
»Nein, wir waren nur Freunde. Also Bekannte. Flüchtige Bekannte.«
Sie wirkt überzeugter als ich. Nun bin ich kein Mensch, der sich von irgendeinem anderen Menschen nicht überzeugen ließe. Insbesondere dann, wenn es sich um eine attraktive Frau handelt. Ich passe meine Interpretation der Ereignisse sehr schnell einer anderen Darstellung an. Doch von meiner Lebenslüge trenne ich mich nur ungern.
»Wenn ich dich damals geküsst hätte, hätten wir uns anschließend in den Laken gewälzt. Das ist sicher«, behaupte ich mutig.
»Mit Sicherheit nicht!« Nun klingt sie doch erbost und ich beschließe, mich etwas zurückzunehmen.
»Was hättest du denn geantwortet, wenn ich gefragt hätte, ob ich mit nach oben kommen soll?«
»Ich hätte gesagt: Vergiss es.«
»Ach, ehrlich?«
»Wir waren doch eher wie Bruder und Schwester«, fügt sie hinzu.
»Ja, aber zweimal standen wir kurz vorm Inzest. Um in deiner Metapher zu bleiben.«
»Nein!«
»Vielleicht machst du dir nur etwas vor?«
»Ich glaube, ich bin hier nicht diejenige, die sich in etwas verrannt hat.«
»Ach, Menno.«
Enttäuscht und wütend trete ich gegen eine Mülltonne.
»Da mache ich mir all die Jahre etwas vor, verdränge und verdränge, und dann treffe ich natürlich dich wieder. Die einzige Person, die mir das nehmen kann. Und natürlich nimmt sie es mir auch. Ich habe noch nie in meinem Leben einen Menschen wiedergetroffen, nicht zuletzt, weil ich überhaupt sehr wenige Menschen kennengelernt habe. Sogar vor meinen Eltern bin ich weggelaufen, als sie wieder den Kontakt gesucht haben, aber ausgerechnet die Person, bei der ich mir etwas vorgemacht habe, etwas, das mir gut tut, das mir mein Leben manchmal wenigstens einigermaßen erträglich macht, läuft mir wieder über den Weg – und stellt alles klar. Toll, liebes Leben, ganz toll.«
Ich trete noch einmal gegen die Mülltonne, es soll wütend wirken, aber es erscheint eher halbherzig, Claudiagard merkt bestimmt, dass ich mir vor allem den Fuß nicht verletzen möchte.
»Das tut mir leid«, sagt sie vorsichtig. »Ich wusste nicht, dass das so wichtig für dich war.« Sie hält sich aber nicht lange damit auf, mich zu trösten: »Du hast vorhin gesagt, es waren zwei Gelegenheiten, bei denen wir fast miteinander geschlafen hätten. Wann soll denn das andere Mal gewesen sein?«
»O nein!«, wehre ich bitter lachend ab. »Das sage ich dir nicht. Das nimmst du mir nicht auch noch.«
»Ach, komm. Es interessiert mich.«
»Nee, nee.«
»Och, bitte.«
»Nur wenn du mir versprichst, nicht klarzustellen, dass wir auch an diesem Abend nicht im Bett gelandet wären.«
»Wir wären garantiert nicht im Bett gelandet.«
»Dann sage ich’s dir nicht.«
»Los, raus mit der Sprache. Biddöö.«
Sie sieht mich mit ihren wunderschönen blauen Augen an, und mein Widerstand bröckelt.
»Was kriege ich dafür?«
Sie denkt nach.
»Ich verspreche, dir für den Rest deines Leben die Illusion zu lassen, dass wir heute Sex hätten haben können.«
»Hm, klingt fair.«
»Also? Wann soll das gewesen sein?«
»Na, damals als wir im Multiplex waren und anschließend in der Kino-Bar noch Cocktails getrunken haben«, helfe ich ihrem Gedächtnis auf die Sprünge.
»Ja, daran erinnere ich mich. Wir waren ziemlich betrunken.«
»Genau.«
»Aber ich hätte auch damals nicht mit dir geschlafen. Und wenn ich noch so besoffen gewesen wäre.«
»Und da geht auch diese Illusion hin. Plopp!«
»Plopp?«
»Ja, Seifenblase. Zerplatzt. Plopp.«
»Aber du kannst dir ja ab sofort einbilden, dass wir heute zusammen geschlafen hätten, wenn du den ersten Schritt gemacht hättest.«
»Ich weiß bloß nicht, ob mir das gelingt. Irgendwie eignet sich die Atmosphäre nicht recht für eine solche Illusion. Ich meine: vor einer Anstalt. Morgens.«
»Mein Gott, du hast zu viele schlechte Filme geguckt. Deine Fantasie ist ja klischeebeladen ohne Ende. Erotische Fantasien kann man überall haben. Du kannst dir doch einreden, dass du mich gepackt hast und ins Damenklo gezerrt und ich dort alles mit mir habe machen lassen. Voller Ekstase.«
»Damenklo? Da fliege ich doch sofort raus, wenn mich jemand entdeckt. Ich kann mir sogar vorstellen, dass du mit mir da reingehst, nur um sofort den Wachdienst zu rufen. Und dich scheckig lachst, wenn ich abgeführt werde.«
»Das traust du mir zu?«
»Ich traue jedem alles zu.«
»Stimmt.
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