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Entschuldigen Sie Meine Stoerung

Entschuldigen Sie Meine Stoerung

Titel: Entschuldigen Sie Meine Stoerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan-Uwe Fitz
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Telefonhörer auf.«
    Sie reicht mir ihren Telefonhörer, und ich stecke ihn in den Mund. Die Sprechmuschel guckt noch heraus. Ich versuche ihn zu zerbeißen, das könnte meinen Wahnsinn noch unterstreichen. Da! Ein Anflug von Verunsicherung in ihrem Gesicht. Doch sie fängt sich wieder und fordert mit Nachdruck:
    »Verpissen Sie sich.«
    Ich spucke den Hörer aus, würge kurz (das Teil war doch bedrohlich nah an meinem Rachen) und schimpfe: »Ich hoffe, dass Sie nie in eine Klinik wie Ihre geraten. Da wären Sie aber gelackmeiert. Ich kann Ihnen ein Lied davon singen, wie das ist: Burn-out zu haben, aber keine Hilfe zu bekommen. Los, jetzt. Heilen Sie mich.«
    »Ich bin nur die Empfangsdame.«
    »Ich bin Wassermann. Glauben Sie an Horoskope?«
    »Empfangsdame ist kein Sternzeichen. Das ist ein Beruf. Mein Beruf.«
    »Glauben Sie an Berufe?«
    Sie sieht mich fragend an, und ich sehe ein, dass ich gerade überzogen habe.
    »Ich möchte sofort mit einem Arzt sprechen.«
    Die Dame verdreht die Augen; wenn sie so weitermacht, hat sie morgen Muskelkater in den Pupillen. Sie nimmt den Hörer ab und wählt. Ich bin zufrieden. Der habe ich gezeigt, dass ich zu allem entschlossen bin. Unser Psychoduell werde ich siegreich beenden. Sie glaubt wohl, nur weil ich nicht weiß, wer ich bin, kann sie mit mir machen, was sie möchte.
    »Der Empfang«, spricht sie in den Hörer und sieht mich böse an. Ich schaue entschlossen zurück. »Schicken Sie Tobias und Thomas. Wir haben hier einen Patienten, der nicht gehen möchte.« Hm, Tobias und Thomas. Klingt nicht nach einem Arzt. Der hat in der Regel einen Doktor vor dem Namen und wird auch nicht per Vorname angefordert. Die Dame hängt ein und deutet auf einen der beiden Stühle gegenüber ihrem Tresen. »Setzen Sie sich doch, bescheuerter Unbekannter. Ich habe den Wachdienst gerufen, der wird Sie in wenigen Minuten hinauswerfen.«
    »Alles klar«, sage ich triumphierend, aber während ich Platz nehme, denke ich, dass Triumph wohl fehl am Platz ist. Das Ganze endet doch offensichtlich gar nicht mit einem Sieg? »Hinauswerfen«, hat sie gesagt? Hm. Dann hätte ich auch gar nicht erst kommen müssen. War jetzt alles umsonst oder was? Nachdenklich setze ich mich auf den Stuhl und harre der Dinge, die da kommen. Und die sind zu zweit, beide fast zwei Meter groß und muskelbepackt und wirken auf den ersten Blick, als sei mit ihnen nicht gut Kirschen essen. Tobias und Thomas, kein Zweifel. Die beiden bauen sich mit verschränkten Armen vor mir auf und schauen mich herausfordernd von oben herab an. Dann machen sie einen Schritt zur Seite, und zwischen ihnen schlüpft ein kleiner Mann in einem weißen Kittel hindurch.
    »So, so, Sie sind also der Patient, der seinen Namen vergessen hat?«, fragt er mit übertriebener Gutmütigkeit. »Ich bin Dr. Möbius, ich leite diese Klinik.« Er reicht mir die rechte Hand, und ich schüttle sie zögerlich.
    »Ich würde mich auch gerne vorstellen, aber ich weiß leider nicht, wer ich bin.«
    »Ja, davon habe ich schon gehört.«
    »Ich habe versucht, das Ihrer Mitarbeiterin am Empfang zu erklären, aber sie nimmt mich nicht ernst. Stattdessen hat sie versucht, mich abzuwimmeln. Glauben Sie mir: Ich bin ein Notfall. Ich kam eben ganz plötzlich nicht mehr mit mir zurecht.«
    »Na, wenn Sie schon nicht mit sich zurechtkommen, dann sollten Sie unserer Frau Heine auch keine Vorwürfe machen, was? Hahaha.« Er lacht rasselnd über den eigenen Scherz. Ich lächle gequält. »Was ist denn nun genau passiert?«, fragt er mich fast väterlich. Hoffnung keimt in mir auf. Vielleicht geht ja doch noch was mit der Klinik und mir?
    »Ich bin zufällig im Wald spazierengegangen, als mir plötzlich schwindelig wurde und ich bemerkt habe ›Oh, Scheiße, ich bin gestört.‹ Da sah ich Ihre Klinik. Sie können sich nicht vorstellen, wie erleichtert ich war. Können Sie mich heilen?«
    »Ich will mal so sagen, Herr …?
    »F…ie heiße ich noch einmal? Ich weiß nicht. Ich habe ja meine Identität und mein Gedächtnis verloren.« Das war knapp. Um ein Haar wäre ich ihm ins Netz gegangen.
    »Hören Sie mal Herr WieauchimmerSieheißen.« Er legt den Arm um meine Schulter, hilft mir sanft aus dem Stuhl und führt mich zur Tür. Ich leiste keinen Widerstand, alle Hoffnung stirbt. »Wir sind eine Privatklinik. Wer bei uns unterkommen möchte, zahlt viel Geld. Mehr als Sie in Ihrem Leben jemals verdienen werden. Wir machen es so: Sie suchen sich einfach eine andere Klinik,

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