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Entschuldigen Sie Meine Stoerung

Entschuldigen Sie Meine Stoerung

Titel: Entschuldigen Sie Meine Stoerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan-Uwe Fitz
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reden nicht mehr darüber.«
    »So machen wir’s. Vielen Dank.«
    »Kein Problem.«
    »Oh, was haben Sie denn da?«
    »Eine Spritze.«
    »Ist die für mi… Aua.«

Meine Einzeltherapien.
Das erste Gesprächsprotokoll
    »Guten Tag, Herr Doktor.«
    »Wer sind Sie denn?«
    »Fitz mein Name.«
    »Wo ist denn Frau Kautge?«
    »Ich bin ihre Urlaubsvertretung.«
    »Ach, wo ist sie denn hingefahren?«
    »Irgendwohin, wo es schöner ist als hier.«
    »Na, das kann ja so ziemlich überall sein.«
    »Irgendwo da ist sie wohl auch. Sie hat in ihrer Therapie wohl zu hart an sich gearbeitet und braucht nun erst einmal Erholung.«
    »Das verstehe ich. Was kann ich denn für Sie tun, Herr Fitz?«
    »Ich habe einen Burn-out.«
    »Boah, Sie gehen mir jetzt schon auf den Sack.«
    »Warum das denn?«
    »Burn-out. Wenn ich das schon höre. Das kotzt mich so an. Ich habe auch einen Arsch voll zu tun und habe keinen Burn-out, verdammte Scheiße. Reißen Sie sich halt zusammen. Wissen Sie, wie oft mir Leute erzählen, Sie litten unter Burn-out?«
    »Na ja, das ist eine Klinik, die sich auf Burn-outs spezialisiert hat. Ich rate mal: ständig?«
    »Nie.«
    »Und trotzdem nerve ich Sie?«
    »Ja, muss an Ihnen liegen.«
    »Sagen Sie: Angenommen, ich reiße mich zusammen, geht dann auch mein Ohrensausen weg?«
    »Keine Ahnung. Nur wenn Sie Ohrensausen haben.«
    »Habe ich nicht. Ich habe Nasensausen. Ich rieche ständig unangenehme Düfte, obwohl da keine sind. Ich mache nachts kein Auge zu.«
    »Dann haben Sie Augensausen.«
    »Was hilft dagegen?«
    »Zehennagelsausen.«
    »Ist das nicht unangenehm?«
    »Und wie.«
    »Dann her damit.«
    »Ich zögere noch.«
    »Wie äußert sich denn Zehennagelsausen?«
    »Sie glauben, es steht ständig jemand auf Ihrem Fuß. Aber wenn Sie genau hinsehen, ist da niemand.«
    »Gespenstisch. Ich habe übrigens noch ein Problem: Angst vor meinem Therapeuten.«
    »Und wie äußert sich das?«
    »Indem ich sage, dass ich Angst vor meinem Therapeuten habe. Können Sie etwas dagegen tun?«
    »Klar. Aber da machen Sie den Bock natürlich zum Gärtner, das ist Ihnen schon klar, oder?«
    »Nein.«
    »Egal. Ich werde Sie jetzt erst einmal betäuben. Es wird ein bisschen wehtun.«
    »Warum betäuben Sie mich?«
    »Das ist ein Euphemismus für ›Ich setze Sie jetzt unter verdammt starke Tabletten, weil Sie mir mit Ihrem bescheuerten Pseudo-Burn-out derbe auf die Nüsse gehen.‹«
    »Oha.«
    »Pfleger!«
    Zwei Pfleger betreten den Raum.
    »Ja?«
    »Halten Sie den Mann fest. Er weiß nicht, was er sagt und tut. Ich muss ihn betäuben.«
    »Wieso? Was hat er denn gesagt?«
    »Er hat gesagt, Ihre Mutter sei eine Schlampe.«
    »Die Sau.«
    Die beiden Pfleger überwältigen mich, drücken meinen Kopf in den Nacken, reißen mit Gewalt meinen Mund auf – und der Arzt verabreicht mir eine Spritze in den Hintern.
    Als die beiden Pfleger mich wieder freigeben, frage ich den Arzt: »Wieso lassen Sie mir mit Gewalt den Mund aufreißen, um mir dann eine Spritze in den Hintern zu jagen?«
    »Ablenkung. Viele Patienten haben große Angst vor Spritzen.«
    »Ich nicht. Ich habe Angst vor Menschen, die mir den Mund aufreißen.«
    »Das konnte ich natürlich nicht wissen.«
    »Nein, nur ahnen.«
    Das sind die letzten Worte, die ich von mir gebe, dann bin ich auch schon eingeschlafen. Als ich wieder aufwache, sitze ich auf dem gleichen Platz wie vorher. Dem Therapeuten gegenüber. Er lächelt mich an.
    »Wie lange habe ich geschlafen?«
    »Vierzig Minuten.«
    »Warum vierzig Minuten?«
    »Warum nicht? Unsere Therapiestunde ist jetzt rum. Bis morgen.«

Tag 4
    Heute steht eine kurzfristig einberufene Patientenversammlung an. Klinikleiter Dr. Möbius hält eine Rede an die Patientenschaft:
    »Sehr geehrte Damen und Herren, ich freue mich, dass Sie so zahlreich erschienen sind, wenngleich wir viele von Ihnen abermals nur mit Gewalt zum Kommen bewegen konnten. Das ist das Problem, wenn man eine Klinik voller sozialer Phobiker leitet: Viele Patienten haben eine Scheißangst vor solchen Versammlungen, und man muss ihnen ordentlich Feuer machen. Statt pünktlich zu erscheinen, sitzen sie zitternd in ihrem Zimmer und winseln: ›Ich will nicht unter Menschen. Ich will nicht unter Menschen …‹ Es ist so peinlich.
    Aber gut, so ist das nun einmal in einer Klinik wie unserer. Ich will mich gar nicht beschweren. Jetzt sitzen Sie ja alle hier, blicken ängstlich und nervös nach links und rechts und kauen Ihre Fingernägel bis auf den Stumpf. Sehr

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