Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Entschuldigen Sie Meine Stoerung

Entschuldigen Sie Meine Stoerung

Titel: Entschuldigen Sie Meine Stoerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan-Uwe Fitz
Vom Netzwerk:
Gesprächs zwischen Frau Kautge und dem Ärzteteam, das gerade wieder zur morgendlichen Visite vorbeischaut.
    »Na, Frau Kautge, wie geht es Ihnen heute?«, fragt der Chefarzt.
    »Nicht so gut, Herr Doktor«, antwortet sie mit dünner Stimme. »Ich habe nicht so gut geschlafen. Mein Bett war irgendwie enger als sonst.«
    »Ihr Bett ist so groß wie immer, Frau Kautge. Ein normal großes Bett für eine Person.«
    »Ich weiß, aber irgendwie scheint es zu schrumpfen, wenn ich schlafe. Und ständig tritt mich etwas. Hier, sehen Sie: Mein Bein ist voller blauer Flecke. Und als ich heute Morgen ins Bad kam, war mein Handtuch nass. Als hätte jemand bereits vor mir geduscht. Irgendetwas stimmt mit diesem Zimmer nicht. Ich glaube, es ist ein verwunschenes Zimmer.«
    »Ich habe gehört, dass Sie gestern versucht haben, Liebe mit dem Vorhang zu machen?«, fragt der Arzt.
    »Das war einvernehmlich.«
    »Einvernehmlich? Ein Vorhang kann sich nicht wehren, Frau Kautge.«
    »Das ist kein normaler Vorhang, Herr Doktor. Sie halten mich jetzt bestimmt wieder für gestört, aber das Ding hat mit mir gesprochen. Und es hat Brustwarzen. Da. Sehen Sie.«
    Jetzt höre ich seine Stimme wenige Zentimeter von mir entfernt. Nur der dünne Vorhang trennt uns.
    »Das sind doch keine Brustwarzen, Frau Kautge. An den beiden Stellen ist der Stoff nur ein bisschen verdreht. Kein Grund, sich sexuell stimuliert zu fühlen.«
    »Ich weiß auch nicht, was mit mir los ist. Sonst bin ich nicht so schnell sexuell stimuliert.«
    »Reden Sie darüber mal mit Ihrem Einzeltherapeuten.«
    »In der Gruppentherapie werde ich das auch mal ansprechen. Vielleicht kennen die anderen Patienten ja das Problem.«
    »Das würde ich an Ihrer Stelle nicht tun. Sie wissen doch, dass die anderen nur darauf warten, dass Sie eine Schwäche zeigen – um sich mit Spott auf Sie zu stürzen.«
    »Nein, das wusste ich nicht. Die wollen sich auf mich stürzen?«
    »In der letzten Gruppentherapie haben sich alle über Ihre Probleme lustig gemacht. Haben Sie das nicht bemerkt?«
    »Ach? Ich dachte, der Sinn von Gruppentherapie ist gerade, dass man da ganz offen über seine Probleme reden kann und von allen ernst genommen wird.«
    »Ja, theoretisch schon. Sonst noch Fragen?«
    »Was kann ich denn gegen das Gefühl tun, dass ich nicht allein im Zimmer bin?«
    »Frau Kautge«, sagt der Arzt streng. »In Ihrem Zimmer gibt es keinen zweiten Mitbewohner. Den bilden Sie sich nur ein.«
    »Heute Morgen hatte ich den Eindruck, ich rasiere nicht nur mich, sondern auch noch jemand anderen.«
    »Sie rasieren sich?«
    »Ja, ich habe relativ starken Bartwuchs. Für eine Frau.«
    » Das sollten Sie mal in der Gruppentherapie ansprechen. Daran haben die anderen bestimmt ihren Spaß.«
    »Mach ich.«
    »Und wie kommen Sie darauf, dass Sie einen anderen rasiert haben?«
    »Ich kann es nicht beschwören, aber es kam mir vor, als wären in meinem Waschbecken nach der Rasur deutlich mehr Haare geschwommen, als ich vorher im Gesicht gehabt hatte.«
    »Hm, haben Sie denn sonst noch etwas Verdächtiges bemerkt? Vielleicht Personen in Ihrem Badezimmer, die da eigentlich nicht hingehören?«
    »Wie gesagt: Mein Handtuch war schon nass, bevor ich mich damit abgetrocknet habe.«
    »Ein nasses Handtuch. Wie eklig.« Zum ersten Mal klingt der Arzt wirklich betroffen.
    »Ich fühle mich missbraucht.«
    »Hm. Um ehrlich zu sein, junger Mann …«
    »… Frau …«, verbessert Frau Kautge.
    »Auch egal«, bügelt der Arzt sie ab. »Jedenfalls häufen sich die mysteriösen Rasiervorkommnisse in der Klinik. Sie sind nicht die Erste.«
    »Aha.«
    »Aber bis jetzt die Hässlichste, wenn ich das sagen darf.«
    »Na klar.«
    »Wir vermuten, es gibt sogenannte blinde Patienten in der Anstalt. Sie nutzen aus, dass viele Patienten morgens noch nicht klar bei Verstand sind. Besonders Morgenmuffel sind betroffen.«
    »Ich bin einer.«
    »Sehen Sie? Sie sind ein Morgenmuffel und beknackt – Sie passen genau ins Opferprofil. Diese Ganoven nutzen die Blödheit ihrer Opfer knallhart aus und schmuggeln sich heimlich zwischen Klinge und Gesicht des Rasierenden.«
    »Mein Gott. Und was mache ich nun?«
    »Als Erstes brauchen wir Beweise. Vor der nächsten Rasur zählen Sie die Haare in Ihrem Gesicht und gleichen sie dann mit der Zahl der Haare im Waschbecken und auf der Rasierklinge ab. Sollten sich eklatante Unterschiede ergeben, dann halten Sie in Zukunft gefälligst die Fresse. Wir kehren die ganze Sache unter den Teppich und

Weitere Kostenlose Bücher