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Entschuldigen Sie Meine Stoerung

Entschuldigen Sie Meine Stoerung

Titel: Entschuldigen Sie Meine Stoerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan-Uwe Fitz
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wenn Ihnen Ihr Leben lieb ist!«? Oder eine ganze Gruppentherapie in meine Gewalt bringen? »Los, reden wir miteinander!« Außerdem brauche ich noch Körpertherapie, Gestaltungstherapie und all die anderen Therapien, mit denen ein Angstpatient in einer Klinik beglückt wird. Das Schlimmste aber: Frau Kautge nervt.
    Ich bin wirklich kein Freund von Entscheidungen. Ich neige auch nicht dazu, den Lauf der Dinge in meinem Sinne durch Taten voranzutreiben, aber manchmal muss man sich auch mal zwingen, ganz bewusst alles dem Zufall zu überlassen. Es gibt diese Momente im Leben, in denen nicht Initiative gefragt ist, sondern das Universum. Und das flüstert mir jetzt die Lösung zu: »Frau Kautge muss weg. Sie ist die Wurzel des Problems. Du musst sie töten.«
    Das klingt jetzt dramatischer, als es ist. Es heißt eben nur: Sie oder ich. Dieses Zimmer ist zu klein für uns beide.
    Es ist Nacht. Ich sitze am Bett von Frau Kautge. Seit 1.10 Uhr. Jetzt zeigt der digitale Radiowecker 3.15 Uhr an. Ich halte ein großes, weißes Kissen in der Hand, finde aber nicht den Mut, meine Mitbewohnerin zu ersticken. Ich habe mir das etwas zu leicht vorgestellt. Ich stelle mir vieles etwas zu leicht vor. Ist es dann aber tatsächlich so leicht, stelle ich es mir spontan nicht mehr so leicht vor und bin blockiert. So wie jetzt. Kissen als Mordwaffen sind angenehm unblutig. Man hat den Schalldämpfer quasi schon mit eingebaut, die Frage ist nur: Wie verwische ich meine Spuren? Einen Selbstmord kann ich mit einem Kissen als Tatwaffe nicht vortäuschen. Jedenfalls habe ich noch nie davon gehört, dass sich jemand mit einem Kissen selbst erstickt hat. Kissen? Oh, da fällt mir eine Geschichte ein:
    Das waren noch Zeiten, als ich mit Kissen und Bettdecke harmonisch zusammengelebt habe. Ich ging entspannt ins Bett, legte mein Haupt auf das Kissen und zog mir wohlig die Decke ans Doppelkinn, bevor ich einschlief.
    Doch eines Tages war alles anders: Mein Vertrauen in Bettzeug aller Art war mit einem Schlag dahin. Ich hatte wohl zu viele Filme gesehen, in denen Menschen mit einem Kissen erstickt worden sind. Sobald ich ein Kissen sah, dachte ich automatisch: »Mörder!« Ich war mir sicher, dass Kissen und Bettdecke ein Mordkomplott gegen mich schmiedeten. Ich konnte ihnen aber nichts nachweisen. Vielleicht wollen sie auch einfach nur mal gewaschen werden? Wenn man Bettzeug zu selten reinigt, entwickelt es mitunter bedenkliche Tendenzen. Oder sie ekelten sich vor mir, hatten die Nase voll davon, dass ich sie mit meinem Körper beschmutzte.
    Immer wieder habe ich die beiden böse lachen hören. Erst als ich das Schlafzimmer betrat, verstummten sie. Wer mordet, schreckt auch vor anderen Verbrechen nicht zurück, zum Beispiel vor Raub. Wenn ich meine Online-Überweisungen tätige, achte ich darauf, dass meine Decke und mein Kissen nicht im Raum sind. Damit sie meine PIN -Nummer nicht ausspionieren. Eine Woche vor der Festnahme meines Kissens habe ich auf der Bank hundert Euro abgehoben. Davon habe ich meinem Bettzeug lieber nichts gesagt. Erschien mir sicherer. Auch zum EC -Automaten nahm ich die beiden längst nicht mehr mit. Die Zeiten, in denen ich mich darauf verlassen konnte, dass sie den Diskretionsabstand einhielten, waren unwiederbringlich vorbei.
    Nun sind die beiden vorbestraft. Das kam so: Eines Tages klingelte es, ich öffnete, und zwei Polizisten standen vor der Tür. Einer der beiden legte den Zeigefinger der rechten Hand auf die Lippen und bedeutete mir, kein Wort zu sagen. Der andere Cop schlängelte sich an mir vorbei in mein Schlafzimmer und verwickelte mein Kissen in ein zunächst harmloses Gespräch. Plötzlich stürzte er sich überraschend auf das Kissen, überrumpelte es und führte es in Handschellen aus der Wohnung. Anschließend warf sich der zweite Polizist auf meine Bettdecke und rang mit ihr um Leben und Tod. Die beiden rollten quer durch meine Wohnung, der Cop hieb immer wieder mit den Fäusten auf die Decke ein, die sich wehrlos ergab. Dennoch nahm er sie in den Schwitzkasten und brüllte wieder und wieder auf sie ein: »Gestehe, du Sau, gestehe.« Aber sie gestand nicht. Dann ließ er von ihr ab und sagte außer Atem zu mir: »Ihre Decke ist harmlos. Aber Ihr Kissen suchen wir schon seit Jahren wegen diverser Parkvergehen.«
    »Ich kann mich also mit meiner Decke beruhigt zudecken?«
    »Ja, aber verzichten Sie am besten eine Zeitlang auf jegliche Kissen, bis Gras über die Sache gewachsen ist. Kissen sind untereinander

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