Entschuldigen Sie Meine Stoerung
eben aus. Aber ich muss Sie warnen: Es wird wehtun.«
»Wem?«
»Na, Ihnen.«
»Warum das denn?«
»Ich werde Ihnen die Augen ausstechen und das Trommelfell zertrümmern. Dann können Sie die Wanderbaustelle weder hören noch sehen.«
»Aber ich kann zwei von denen auch riechen.«
»Dann sprenge ich auch noch Ihre Nase.«
»Gibt’s keine andere Möglichkeit, eine Wanderbaustelle auszutreiben?«
»Doch. Wir könnten die Balkontür öffnen und die drei rausschubsen. Dann einfach die Tür von innen schließen, und Ruhe ist. Welche Methode ist Ihnen lieber?«
»Eigentlich die zweite. Aber ich muss Sie warnen: Die drei sind nicht nur Wanderbauarbeiter, sondern auch Entfesselungskünstler. Die befreien sich von jedem Balkon.«
»Nicht von diesem. Das ist ein verwunschener Balkon, von dem man nie wieder wegkommt.«
»Ach, wie diese verwunschenen Wälder, aus denen man nie wieder herauskommt?«
»Ja, oder wie diese verwunschenen Häuser, aus denen man nie wieder herauskommt.«
»Ja, oder …«
» OK , verstanden! Legen Sie los«, beeile ich mich zu sagen. Ich will diese Wanderbaustelle endlich loswerden.
»Interessant. Die meisten nehmen Alternative eins. Glaube ich zumindest. Ich hatte noch nie so einen Fall wie Sie. Ich wusste gar nicht, dass es überhaupt Wanderbaustellen gibt. Normalerweise arbeite ich als Teufelseintreiberin.«
»Was ist das?«
»An mich wenden sich Menschen, die von zu netten Zeitgenossen genervt sind. Ich sorge dann dafür, dass diese Gutmenschen im Handumdrehen vom Teufel besessen sind.«
»Ach?«
»Ja, da gibt es tolle Tricks. Zum Beispiel eine Schokoladenspur, die direkt in eine Körperöffnung des Nochnichtbesessenen führt. Das Opfer wird natürlich vorher gefesselt und geknebelt und bekommt eine Maulsperre verpasst. Dann wird es mit dem Bauch nach unten auf den Boden gelegt, und auf der Zunge wird das letzte Stück Schokolade platziert. Der Teufel isst Schokoladenquadrat für Schokoladenquadrat, und wenn er in dem Einzutreibenden ist, lassen wir den Mund zuklappen. Schon ist die Teufelseintreibung perfekt.«
»Wie eine Mausefalle.«
»Ja, nur für Teufel. Und mit Schokolade.«
»Toll. Man kann mit Teufelseintreibungen bestimmt mehr verdienen als mit Austreibungen.«
»Auf jeden Fall. Menschen fügen anderen lieber Schlimmes zu. Befreien läuft bei weitem nicht so gut. Eintreiben ist the next big thing .«
»Aha. Gut, könnten wir dann anfangen? Ich habe gleich die nächste Therapiestunde.«
»Alles klar. Öffnen Sie die Balkontür.«
Ich folge der Anweisung, die alte Frau bittet die drei Bauarbeiter, auf den Balkon zu treten, aber ihr Werkzeug nicht zu vergessen. Die Herrn leisten Folge. Dann schließt die Ärztin die Balkontür von innen und strahlt mich an:
»Fertig. Ausgetrieben. Auf zum Essen.«
»Darf ich Sie noch etwas fragen?«
»Nein.«
»Was heißt denn ose fiod, warts tidsel ?«
»Wo haben Sie das denn her?«
»Es steht in Ihrem Gesicht.«
»In meinem Gesicht? Ach so, Sie meinen die Tätowierung?«
»Ist das indianisch?«
»Nein, das ist ein Buchstabenverdreher. Heißt richtig ›Wer das liest, ist doof.‹«
»Und wieso schreiben Sie sich so etwas ins Gesicht?«
»War ein Gefallen für einen Freund, einen Tätowierer. Er hat schon immer davon geträumt, mal jemandem was total Albernes in die Fresse zu schreiben. Aber die meisten sperren sich dagegen.«
»Aber …«
»Warum die verdrehte Buchstabenfolge? Weil ich ihm einerseits gern den Gefallen getan habe, andererseits aber nicht so einen Quatsch im Gesicht stehen haben wollte. Wir haben uns dann für diesen Kompromiss entschieden.«
»Toll, dass Sie für Ihre Freunde da sind.«
»Ist nicht mehr mein Freund. Er wurde von seiner Frau verlassen, da dachte ich mir: Kündigste ihm auch eben die Freundschaft. Der ist durch die Trennung von seiner Frau so fertig, wenn ich ihm jetzt die Freundschaft kündige, macht das seinen Schmerz auch nicht stärker. Wollte mich eh von dem lösen. Stellen Sie sich vor, ich hätte ihm ein halbes Jahr später die Freundschaft gekündigt. Nachdem er vielleicht gerade die Trennung verarbeitet hätte? Der wäre ja durch mein Adieu gleich wieder in ein Loch gefallen. Das konnte ich ihm nicht antun.«
»Sie sind ein guter Mensch. Den Trick werde ich mir merken.«
»Sie haben Freunde?«
»Nein. Aber merken kann ich es mir trotzdem mal. Sind noch ein paar Kapazitäten in meinem Gehirn frei.«
»Machen Sie, was Sie wollen. Ich muss weiter. Schaue mir ein paar
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