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Entschuldigen Sie Meine Stoerung

Entschuldigen Sie Meine Stoerung

Titel: Entschuldigen Sie Meine Stoerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan-Uwe Fitz
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Taxi, ziehst eine Strumpfmaske übers Gesicht und klingelst an der Haustür. Der Witwer öffnet, und du machst ihm mit der rechten Hand eine lange Nase und singst »Ich hab deine Frau getötet. Ich hab deine Frau getötet. Und niemand hat mich in Verdahacht. Und niemand hat mich in Verdahacht. Nananana naa na.«
    Dann läufst du albern kichernd davon.
    Du mordest also nicht mehr, sondern machst Klingelstreiche. Aber bist du deshalb gleich auf dem Weg der Besserung? Moralisch betrachtet? Natürlich sind Klingelstreiche harmloser als Mord. Aber wenn du den Klingelstreich bei den Angehörigen deines Opfers machst, sieht die Sache schon ganz anders aus. Dann ist das kein Fortschritt. Dann geht es nur darum, noch einen draufzusetzen. Klingelstreich und Mord kann man nicht voneinander trennen. Das ist pervers. Und dumm.
    Es passt wohl einfach nicht in dein Selbstbild, dass du den perfekten Mord begangen hast, und nun machst du so lange Unsinn, bis du doch noch auffliegst. Der einzige Mensch, der dir etwas anhaben kann, bist du selbst. Und deshalb machst du so lange weiter, bis er dich geschafft hat. Bisher war das immer ganz leicht. Du hast etwas getan, und es ging schief. Doch dann kam dieser verflixte Mord. Der einfach glattlief. Zum ersten Mal ging etwas nicht gehörig in die Binsen. Also musstest du ein zweites Mal ran.
    Denn natürlich verlief dein Klingelstreich unglücklich. Du hättest nicht schon gleich deine Maske abziehen sollen, nachdem du dem Witwer mit »Ich war’s! Hihi!« die lange Nase gemacht hattest und die Garagenauffahrt der Kautges hinuntergelaufen warst. Dann hätte Sohn Dennis Kautge dich auch nicht mit seiner Handykamera fotografieren können, als er die Garagenauffahrt heraufkam. Und schon von weitem einen giggelnden Vollidioten auf sich zulaufen sah.
    Dein verblüfftes Gesicht ist auf dem Foto deutlich zu sehen. Es scheint zu sagen: »Huch? Eine Kamera? Das ist aber Pech. Wo ich doch unerkannt bleiben wollte.« Am nächsten Tag prangt das Bild auf den Titelseiten aller Zeitungen. Auch im Fernsehen wird gefragt: »Kennen Sie diesen Mann?«
    Das war es dann mit deinem zurückgezogenen Leben. Ab sofort wirst du nicht mehr ungestört in deinem Loch vor dich hinvegetieren. Jetzt werden sie dich jagen. Sie suchen dich, um dich zu bestrafen. Und zum ersten Mal bildest du dir das nicht nur ein. Du hattest immer Angst vor Strafe, dein Leben lang. Immer grundlos. Jetzt wird man dich tatsächlich bestrafen, und es ist dir egal. Du bist sogar erleichtert. Deine Angst hat endlich einen Grund.
    Wenn du Glück hast, erwischt dich die Polizei. Wenn du Pech hast, ein bezahlter Rächer der Familie Kautge. Vielleicht wird sich der Sohn sogar höchstpersönlich an dir rächen. Schließlich hast du seine Mutter ermordet. Das kommt bei Söhnen oft nicht gut an.
    Du bist am Ende. Während du in deiner Wohnung sitzt und wartest, dass sie dich holen, sehen auch die Schwattmanns dein Foto in der Zeitung.
    »Guck mal, Ede. Ist das nicht der Fitz von gegenüber?«
    »Oh ja.«
    »Der hat in der Anstalt eine Frau getötet und dann ihren Witwer verspottet.«
    »Nein!«
    »Doch.«
    »So ein Teufelskerl!«
    »Rufen wir die Polizei. Das wird ein Spaß, wenn sie den aus seiner Wohnung sprengen.«
    »Sollten wir ihn nicht erst einmal fragen, ob er das auch wirklich ist?«
    »Gib die Zeitung her. Ich geh mal rüber.«
    Schon klingelt die alte Schwattmann bei dir. Du öffnest die Tür, und sie fragt dich:
    »Hallo, Herr Fitz, alles entspannt?«
    »Geht so, ich werde gerade gejagt.«
    »Ach, dann ist das tatsächlich Ihr Foto da in der Zeitung? Mein Mann und ich, wir waren uns nicht sicher.«
    »Doch, das bin ich.«
    »Sie sehen darauf ein bisschen perplex aus.«
    »Ja, ich war etwas überrascht, dass ich dem Sohn vor die Linse gelaufen bin, als ich flüchten wollte.«
    »Wollen Sie heute zum Kaffee kommen? Wann kann man seinen Freunden schon einmal einen Killer präsentieren?«
    »Ja, gern. Mir ist jetzt alles egal. Wann denn?«
    »16 Uhr. Um 18 Uhr kommt ja Soko.«

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    Du kannst gar nicht mehr anders, als dich verdächtig zu benehmen. Jeder Schritt, jede Geste ein Geständnis. Man sieht dir die Schuld deutlich an. Bei allem, was du tust. Du bist 100 Prozent Geständnis. Du gehst keine drei Schritte mehr, ohne dich nervös in alle Richtungen umzublicken. Du rechnest jeden Moment mit deiner Verhaftung. Oder mit einem Racheanschlag. Du hast sogar deine Vorhänge abgehängt, damit du dich nicht aus Versehen hinter ihnen versteckst,

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