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Entschuldigen Sie Meine Stoerung

Entschuldigen Sie Meine Stoerung

Titel: Entschuldigen Sie Meine Stoerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan-Uwe Fitz
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erinnern, überhaupt jemals mit Harnröhren zu tun gehabt zu haben. Ich kann mich nicht einmal daran erinnern, jemals einen Schniepel gesehen zu haben. Also einen fremden.«
    »Mich hat mal eine nach dem Weg zum Bahnhof gefragt.«
    »Eine Harnröhre?«
    »Keine Harnröhre, Sie Idiot. Wie kommen Sie denn darauf?«
    »Ich dachte, wir reden über Harnröhren.«
    »Bei mir hat sich mal eine blinde Harnröhre eingeschmuggelt. Habe ich erst nach zwei Jahren bemerkt. Wollte sie aber nach so langer Zeit nicht mehr entfernen lassen.«
    »Das kann ich mir gut vorstellen.«
    »Das sind so Sachen. Weshalb sind Sie noch mal hier?«
    »Keine Ahnung. Manchmal vergesse ich vor lauter Smalltalk, was ich eigentlich wollte. Ach so: Eigentlich wollte ich mich verabschieden. Ich verlasse Ihre Klinik.«
    »Ach, sind Sie geheilt?«
    »Nein. Ich liebäugle sogar mit Selbstmord. Ist ganz neu.«
    »Das ist aber nicht schön. Sagen Sie: Haben Sie manchmal auch das Gefühl, eine dritte Wange zu haben?«
    »Nein, Sie?«
    »Nein, wie kommen Sie denn auf so einen Scheiß?«

3. Teil

23
    Du könntest ruhig ein schlechtes Gewissen haben. Hast du aber nicht. Deshalb hast du ein schlechtes Gewissen. Dir ist egal, dass du einen Mord begangen hast, dass Frau Kautge sterben musste. Nur weil du ein Einzelzimmer wolltest. Aber dir ist nicht egal, dass es dir egal ist. Du musst doch etwas fühlen. Wenn du an die Tat zurückdenkst, hast du sie gefälligst zu bereuen und nicht zu denken: »Ach ja, endlich was in meinem Leben, was ich hinbekommen habe.«
    Du kannst nicht einfach so zur Tagesordnung übergehen. Du bist ein Mörder. Da gibt es kein »Na und?« Scham ist dir doch nie fremd gewesen. Aber ausgerechnet die Tatsache, dass du ein Mörder bist, geht dir am Arsch vorbei? Und warum grinst du bei dem Gedanken an das Opfer, das leblos vor dir lag?
    »Und was gibt’s Neues, Herr Fitz?«
    »Von dem Mord habe ich Ihnen schon erzählt, oder?«
    »Nein.«
    »Ich habe eine Mitpatientin umgebracht.«
    »Echt?«
    »Jou.«
    »Schlimm.«
    »Geht so. War gar nicht schwer. Hat sich kaum gewehrt. Wenn ich es nicht getan hätte, hätte sie es bestimmt selbst getan. Schien mir sowieso etwas depressiv. Kann ich noch Kuchen haben?«
    »Nein. Bringen Sie mich jetzt auch um? Hahaha.«
    Du machst nachts kein Auge zu, weil du dich fragst: Warum hast du kein schlechtes Gewissen? Du bist verzweifelt. In den kurzen Phasen, in denen du mal wegdöst, träumst du, dass du dein Seepferdchenabzeichen nicht bestehst. Dann wachst du auf, schweißgebadet. Wieso träumst du so ein Zeug? Hast du nichts Wichtigeres zu träumen? Du hast einen Menschen ermordet! Davon solltest du träumen. Stattdessen siehst du im Schlaf Bilder von deinen fehlgeschlagenen Versuchen, einen Ring aus einem Meter Tiefe nach oben zu holen. Seepferdchen! Hast du überhaupt versucht, das Seepferdchen zu machen? Oder bereust du nur, dass du es nie versucht hast? Warum beschäftigt dich diese Frage überhaupt? Ein Mensch ist gestorben. Du hast ihn getötet. Und du bist wie besessen vom Gedanken an das bescheuerte Seepferdchen.
    Wenn es wenigstens nur die fehlende Reue wäre. Aber jetzt kommt auch noch Schadenfreude hinzu. Du spürst, dass du der Familie deines Opfers den Tod der Mutter gönnst. Ist das zu fassen? Du könntest dich wegwerfen vor Lachen bei dem Gedanken, wie sie am Grab stehen und weinen. Was ist das? Übermut? Wieso wirst du jetzt übermütig? Statt dich einfach zu freuen, dass du den perfekten Mord begangen hast, und es damit gut sein zu lassen, gedeiht in dir der Wunsch, die Familie des Opfers zu verspotten. Was ist bloß los mit dir?
    Es tut dir nicht gut, dass dich die Wanderbaustelle nicht mehr begleitet. Seit sie dir ausgetrieben worden ist, schläfst du nicht besser, aber bist wie von der Leine gelassen. Niemand, der dir Einhalt gebietet. Dich von dir ablenkt. Solange du gegen die Wanderbaustelle gekämpft hast, hattest du keine Zeit, auf dumme Ideen zu kommen. Mit der Wanderbaustelle im Schlepptau hättest du niemanden verspottet. Und jetzt willst du tatsächlich den Witwer deines Opfers besuchen, um ihm eine Nase zu drehen. Du Monster.
    Du sitzt im Taxi zu den Kautges und lachst in dich hinein. Findest du Mord lustig? Findest du es lustig, Opfer zu verhöhnen? Natürlich, wie ironisch, dass ausgerechnet du den perfekten Mord begangen hast, dem niemand auf die Schliche gekommen ist. Dabei hast du dir nicht einmal sonderlich Mühe gegeben.
    Und nun steigst du vor dem Haus der Kautges aus dem

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