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Entschuldigen Sie Meine Stoerung

Entschuldigen Sie Meine Stoerung

Titel: Entschuldigen Sie Meine Stoerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan-Uwe Fitz
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die Lüneburger Heide geflossen wäre. Und so hieß euer Fluss nach zähen Verhandlungen nicht Canal Grande, sondern Heinz-Peter.
    Aber nur Venedig importieren – das hat dir nie gereicht. Um Nawowohl zusätzlich für Touristen attraktiv zu machen, hast du noch zwei weitere Ideen entwickelt: Du hast Klein-Mettner unter Wasser gesetzt und es zu einem neuen Atlantis gemacht. Zwei Jahre später hast du Nawowohl unter Sand vergraben und behauptet, es sei eine verschollene Stadt. Natürlich keine lange verschollene Stadt, denn du hattest sie ja gerade erst versteckt. Eher eine plötzlich verschwundene. Der Ansatz lautete so: Ein Tourist kommt vorbei und fragt sich: »Huch, wo ist denn Nawowohl?« Die Dorfbewohner verstecken sich derweil unter einer Sanddüne und verhalten sich ganz still – damit der Besucher nicht merkt, wie sehnsüchtig man auf ihn wartet.
    Es war eine besondere Herausforderung, die Bewohner deines Dorfes von den Vorzügen dieser Idee zu überzeugen. Weißt du noch? Dein Gespräch mit Elfriede Schwattmann, geborene auch Schwattmann (sie hatte ihren Bruder geheiratet; euer Dorf war immer recht liberal)?
    Als Frau Schwattmann die Haustür öffnete, blickte sie zuerst irritiert auf dich, dann auf deinen Spaten in der rechten Hand, zuletzt auf die Schubkarre voller Sand. Du lächeltest und lüpftest den Hut.
    »Guten Tag, Frau Schwattmann, Fitz mein Name. Vom Stadtmarketing. Sie wissen, dass wir zurzeit an der Initiative Touristen nach Nawowohl arbeiten?«
    »Wat is’ los?«
    »Unsere Dorfkasse ist leer, weil keine Besucher nach Nawowohl kommen.«
    »Klar, wat sollen die auch hier?«
    »Genau, aber das wollen wir ändern, indem wir Nawowohl zu einer verschollenen Stadt machen. Und deshalb werden wir den ganzen Ort mit Sand zuschütten. Anschließend werden wir in einer PR -Kampagne auf das sagenhafte, aber verschollene Nawowohl hinweisen.«
    »Ja, davon habe ich gehört. Und wat wollen Sie von mir?«
    »Wir würden gern mit Ihrem Wohnzimmer anfangen. Wenn der Sand noch reicht, machen wir die Küche grad noch mit.«
    »Hm. Wissen Sie was, junger Mann? Ich kriege ungern Besuch. Wenn jemand vorbeikommt und das verschollene Wohnzimmer sucht, würde ich ihn wohl nicht reinlassen. Vielleicht sollten Sie lieber das Schlafzimmer der Kasulkes von oben drüber zuschütten? Die Kasulke hat wechselnde Liebhaber, wenn der Mann auf Reisen ist, da ist die Chance, dass jemand das verschüttete Schafzimmer findet, größer.«
    Du hieltest das für eine gute Idee, weil du eigentlich alles für eine gute Idee hältst. Dennoch batest du Frau Schwattmann, wenigstens etwas Sand in ihrer Wohnung ausschütten zu dürfen. Deine Schubkarre war sehr voll, und es war schon unglaublich anstrengend, das Teil überhaupt in den fünften Stock zu wuchten. Sie willigte ein, und gemeinsam schüttetet ihr ihren ersten Mann zu, der sowieso schon seit drei Wochen tot auf der Couch lag.

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    »Darf ich Ihnen eine Frage stellen?«
    »Zu welchem Themenbereich?«
    »Zu der Geschichte, die Sie gerade erzählen.«
    »Die geht Sie einen Scheiß an. Ich führe Selbstgespräche.«
    »Ich konnte nicht umhin, Ihnen zu lauschen. Ich saß Ihnen die ganze Zeit gegenüber.«
    »Habe Sie gar nicht bemerkt.«
    »Ich habe mich ja auch hinter der Speisekarte versteckt.«
    »Was möchten Sie wissen?«
    »Würden Sie sagen, dass Ihnen der Aufenthalt in der Klinik etwas gebracht hat?«
    »Definieren Sie ›gebracht‹.«
    »Geht es Ihnen heute besser?«
    »Nein. Ich glaube, ich bin immun gegen Psychotherapie.«
    »Aber immerhin ertragen Sie wieder Menschen.«
    »Woher wissen Sie, dass ich unter Menschenangst leide?«
    »Ich habe Ihnen unheimlich aufmerksam zugehört und auch die Nuancen vernommen.«
    »Und wie kommen Sie darauf, dass ich wieder Menschen ertrage?«
    »Sie fahren Zug.«
    »Ja, aber nicht freiwillig. Eigentlich wollte ich nur zu Mittag essen und habe mich in das leerste Restaurant gesetzt, das ich finden konnte. Plötzlich ist das Restaurant losgefahren. Erst da habe ich bemerkt, dass ich in einem Speisewagen sitze.«
    »Wollen Sie wissen, warum ich Bahn fahre?«
    »Nein, ich schere mich einen feuchten Dreck um Sie.«
    »Ich fahre nur Bahn, weil Sie Bahn fahren.«
    »Ach? Bin ich Ihr Vorbild?«
    »Nein, ich soll Sie töten. Ich bin Auftragskiller. Die Kautges schicken mich.«
    »Ach? Dann war das gar kein Amoklauf, als Sie vorhin versucht haben, mich zu erwürgen?«
    »Doch, aber ich hätte zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen. Amoklauf und

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