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ENTSEELT

ENTSEELT

Titel: ENTSEELT Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian Lumley
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Pflaumen hatten noch grüne Stellen – ideal für den scharfen, würzigen Obstschnaps. Die Frauen trugen dunkle Kleider, und ihre schmalen Gesichter wurden von Kopftüchern aus grobem Stoff umrahmt. Beim Gehen tratschten sie genüsslich über die Skandalgeschichten des Dorfes. Ihre Zähne blitzen elfenbeinweiß in den wettergegerbten Gesichtern, wenn sie über eine besonders pikante Angelegenheit lachten.
    Nicht weit entfernt stieg der bläuliche Rauch von Holzfeuern fast senkrecht aus den Schornsteinen des Dorfes Halmagiu in die Höhe; er zerfaserte zu einem schwachen Dunst über den frühherbstlichen Baumkronen. Aber vor ihnen, direkt unter den Bäumen, brannten andere Feuer. Der Geruch nach gewürztem Fleisch und Kräutersuppe durchzog die von keinem Windhauch bewegte Luft; silberne Schellen klimperten und ein Ast knarrte, an dem ein Kind mit zerzausten Haaren und dunklen Augen still an dem Seil einer provisorischen Schaukel hin und her schwang.
    Bunt bemalte Planwagen waren in einem Kreis unter den Bäumen zusammengeschoben. Vor dem Lager weideten angepflockte Ponys, und Röcke in bunten Farben wogten, wo Mädchen mit nackten Armen Feuerholz sammelten. Im Innern des Lagers stiegen über prasselnden Flammen aus eisernen schwarzen Kochtöpfen Dämpfe auf, die einem den Mund wässrig machten. Die Männer des fahrenden Volkes gingen ihren Aufgaben nach oder sahen einfach nur den anderen zu und rauchten ihre langen, dünnstieligen Pfeifen, während das Lager aufgeschlagen wurde. Es war fahrendes Volk: Zigeuner. Die Szgany waren in die Gegend von Halmagiu zurückgekehrt.
    Der Junge auf der Schaukel bemerkte die beiden Frauen aus dem Dorf und stieß einen schrillen Pfiff hervor. Das Murmeln und Klappern und jede Aktivität im Lager hielten abrupt inne; Dutzende von dunklen Augen drehten sich wie ein Wesen und richteten sich neugierig auf die rumänischen Bauersfrauen mit ihren Körben. Die männlichen Zigeuner in ihren Lederjacken wirkten sehr stark, irgendwie wild, aber in ihren Augen lag keine Feindseligkeit. Sie hatten ihre eigenen Gesetze, und sie wussten, woher die Butter auf ihrem Brot kam. Seit fünfhundert Jahren hatten die Leute aus Halmagiu ehrlich mit ihnen gehandelt, hatten den Schmuck und den Tand der Zigeuner gekauft und sie ansonsten unbehelligt gelassen. Also würden auch die Zigeuner Halmagiu keinen Schaden zufügen.
    »Einen guten Morgen, Frauen«, rief der König der Zigeuner (denn so bezeichneten sich die Führer dieser wandernden Sippen stolz selbst: als kleine Könige). Er stand auf den Stufen seines Wagens und verbeugte sich vor ihnen. »Erzählt doch bitte euren Freunden im Dorf, dass wir an ihre Türen klopfen werden – Töpfe und Pfannen von feinster Qualität; Amulette, um die Kreaturen der Nacht zu vertreiben; Karten, welche die Zukunft zeigen; und scharfe Augen, die die Linien einer Hand deuten können. Bringt uns eure Messer zum Schleifen und die zerbrochenen Axtstiele. Wir werden sie reparieren. Dieses Jahr haben wir sogar das eine oder andere junge Pony, um die alten Mähren zu ersetzen, die eure Karren ziehen. Aber wir werden nicht lange bleiben, deshalb macht eure Geschäfte, bevor wir weiterziehen!«
    »Auch Ihnen einen guten Morgen«, antwortete die ältere der beiden Frauen sofort, hastig, als wäre sie außer Atem. »Seid versichert, wir werden das im Dorf verkünden!«
    Ihrer Begleiterin flüsterte sie zu: »Geh nicht weg, bleib direkt hinter mir und sag nichts.«
    Und als sie an einem der Wagen vorbeikamen, nahm die alte Frau eine kleine Schüssel mit Haselnüssen und eine Handvoll Pflaumen aus ihrem Korb und legte sie als Geschenk auf die Stufen des Wagens. Wenn diese Gabe bemerkt wurde, so zeigte das niemand. Die Aktivitäten im Lager waren wieder aufgenommen worden, als wäre nichts gewesen, und die beiden Frauen machten sich auf den Heimweg. Aber die Jüngere, die noch nicht lange in Halmagiu lebte, fragte: »Warum hast du die Nüsse und die Pflaumen weggegeben? Es heißt, die Zigeuner geben nichts, wenn sie nichts dafür bekommen, tun nichts, ohne etwas dafür zu bekommen, und nehmen viel zu oft etwas, ohne etwas dafür zu geben. Ermuntert das die nicht noch, wenn wir ihnen solche Geschenke machen?«
    »Es kann nichts schaden, sich mit dem fahrenden Volk gut zu stellen«, antwortete ihr die andere. »Wenn du hier mal so lange gelebt hast wie ich, dann weißt du, was ich meine. Und außerdem sind sie nicht hier, um zu stehlen oder um Dummheiten zu machen.« Sie schüttelte

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