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ENTSEELT

ENTSEELT

Titel: ENTSEELT Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian Lumley
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bemerkte seinen verwirrten Blick. »Was ist?«
    »Eure eigenen Leute könnten es eigenartig finden, Herr, wenn Ihr diese Fremden so gut behandelt, und wenn wir wegen Leuten zurückgestellt werden, die Euch keine Treue schulden.«
    »Du bist offen zu mir, und das gefällt mir«, sagte ich. »Ich werde auch offen zu dir sein. Ich habe gehört, dass man sich von dieser Marilena Zirra erzählt, sie sei sehr schön. Wenn das stimmt, dann will ich sie vielleicht für mich, denn nicht nur ihr Zigeuner spürt die Kälte der Nacht. Deswegen sollt ihr ihre Leute mit Respekt behandeln, vor allem ihren Vater und ihre nächsten Verwandten, wenn davon noch welche überlebt haben. Ich will nicht, dass sie mich für einen kalten und grausamen Herren halten.«
    »Was? Euch, Herr?«, fragte er, ohne Regung in seiner Stimme und seinem Gesicht. »Kalt? Grausam? Wer würde so etwas von Euch denken?«
    Ich musterte ihn eine Weile. »Offenheit ist eine Sache, Dreistigkeit eine andere. Willst du mir zu nahe treten? Ich sage dir ganz ehrlich, ich glaube nicht, dass diese Art von Nähe dir gefallen würde. Und deswegen, wenn du bestimmte Dinge auf eine bestimmte Art zu mir sagst, dann solltest du besser immer dabei lächeln ...« Ich starrte ihn an und knurrte ein wenig in der Kehle, bis er die Fassung verlor.
    »Herr«, er begann zu zittern. »Ich wollte nicht ...«
    »Ganz ruhig!«, besänftigte ich. »Dir passiert nichts, ich habe gute Laune. Aber jetzt hör mir zu: Später, wenn die Zirras sich eingerichtet haben, dann kommst du zu mir zurück und bringst mich dahin, wo sie untergebracht sind. Bis dahin, geh!«
    Aber als ich sie dann aufsuchte, war ich nicht zufrieden. Es war nicht so, dass meine Befehle nicht befolgt worden wären, das wurden sie, in jedem Punkt. Doch die Leute hatten so viel durchgemacht, dass sie immer noch verwirrt und hilflos waren. Es würde eine Zeit dauern, bis sie sich erholt hatten. Im Augenblick saßen sie apathisch und zitternd in ihren Lumpen herum und sprachen nur, wenn sie angesprochen wurden.
    Und was diese »Prinzessin« meiner Träume anging? Wo hielt sie sich auf? Die schmutzigen Häufchen Elend, die da um das Feuer hockten, sahen für mich alle gleich aus. Es ärgerte mich, dass meine Träume mich genarrt hatten; ich hatte das Gefühl, meine seherischen Anstrengungen hätten versagt. Und ich hasste Versagen, vor allem, wenn es mich selbst betraf.
    Ich starrte daher brütend auf diese Kreaturen herunter. Schließlich fragte ich: »Wer von euch ist Grigor Zirra?«
    Er richtete sich auf, ein Niemand, ein mageres kleines Männchen, verblichen durch den Schnee und seine Leiden, den Verlust seiner Leute. Er war nicht alt, wirkte aber auch nicht mehr jung. Einst war da Stärke in seiner Sehnigkeit gewesen, aber jetzt schien sie aus ihm herausgewaschen zu sein. Im Gegensatz zu mir war er nur ein Mensch, und er hatte viel verloren.
    »Ich bin der Ferenczy«, erklärte ich ihm, »und das hier ist mein Schloss. Die Leute hier sind meine Leute, Szgany wie ihr. Für den Moment gefällt es mir, euch Unterschlupf zu gewähren. Aber ich habe gehört, es gibt unter euch jemanden, der in die Zeiten sehen kann, und auch solche Dinge gehören zu den Dingen, die mir gefallen. Wo ist diese Hexe – oder der Hexer?«
    »Eure Gastfreundschaft ist so gewaltig wie die Legenden über Euch«, antwortete er mir. »Ich bedauere nur, dass ich in meinem Kummer meiner Dankbarkeit nicht größeren Ausdruck verleihen kann. Ein Teil von mir ist heute gestorben. Meine Frau ist mit den anderen die Felswand hinabgestürzt. Jetzt habe ich nur noch eine Tochter, ein Kind, das in den Sternen die Zukunft liest, oder in Eurer Handfläche oder in ihren Träumen. Aber sie ist keine Hexe, mein Herr, sondern eine wirkliche Seherin. Meine Marilena ist es, von der Ihr gehört habt!«
    »Und wo ist sie jetzt?«
    Er blickte mich an, und in seinen Augen schimmerte die Furcht. Aber ich fühlte ein Zupfen am Ärmel meines Mantels und fuhr zusammen, weil jemand wagte, mich zu berühren. Keiner von meinen Leuten hatte es gewagt, einen Finger nach mir auszustrecken, seit ich mich von meinem Krankenlager erhoben hatte. Ich sah hinunter. Eines der Lumpenbündel war aufgestanden und stand neben mir ... die Augen riesig und dunkel unter der Fellkappe ... das herzförmige Gesicht umrahmt von schwarzem, lockigem Haar ... die Lippen mit der Farbe von Kirschen, rot wie Blut. Und auf meinem Arm lag ihre winzige Hand, der ein Finger fehlte, so wie ich es aus meinen

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