ENTSEELT
Manolis einen Liter Ouzo, und sie setzten sich alle an die Tische im Biergarten einer Taverne und leerten die Flasche bis auf den letzten Tropfen. Als ihr Boot dann schließlich von der Steinmole ablegte, meinte der Grieche: »Das habe ich jetzt gebraucht.«
Darcy seufzte. »Ich auch. Das ist eine beschissene Arbeit, nach der man sich einen Schluck wahrhaft verdient hat.«
Manolis warf ihm einen Blick zu und nickte. »Und da kommt noch viel mehr auf uns zu, bevor wir hier fertig sind, mein Freund. Es ist vielleicht ganz gut, dass der Ouzo hier so billig ist, was? Denk nur mal, mit all dem Gold, das wir da oben haben liegen lassen, könnten wir die gesamte Destillerie kaufen.«
Darcy sah zurück, wo der Felsbrocken namens Chalki langsam ins Meer überging. Er dachte: Vielleicht werden wir uns noch wünschen, dass wir das getan hätten.
Von Chalki nach Karpathos waren es knapp hundert Kilometer, so wie Manolis ihre Route gewählt hatte. Er zog es vor, so weit wie möglich in Sichtweite des Landes zu bleiben und eher gemächlich zu reisen, statt zu rasen. Als sie die Meerenge von Ktenia und Karavolas hinter sich gelassen hatten, setzte er Kurs nach Südwest, ließ Rhodos hinter sich und steuerte direkt auf Karpathos zu.
Das führte sie aufs offene Meer hinaus, und jetzt begann sich auch Darcys Magen zu regen. Es war eine rein körperliche Sache und nicht allzu schlimm; nach dem, was er bereits durchgemacht hatte, würde er sich jetzt nicht wegen dieser Kleinigkeit übergeben. Und seine Gabe versuchte auch nicht, ihn vor einem Schiffsunglück oder etwas Ähnlichem zu warnen.
Um Darcy von seinem Ungemach abzulenken, erzählte Manolis ihm ein paar Einzelheiten über Karpathos: »Es ist die zweitgrößte Insel Dodekanes«, sagte er. »Ungefähr auf halbem Weg zwischen Rhodos und Kreta. Während Chalki sich von Osten nach Westen erstreckt, liegt Karpathos von Norden nach Süden. Vielleicht fünfzig Kilometer lang, aber nur sieben oder acht breit. Sämtliche Inseln hier sind nur die Spitzen von unterseeischen Bergen, mehr nicht. Und auch Karpathos ist eigentlich keine große Insel und hat nur ein paar Bewohner. Aber dafür eine sehr abwechslungsreiche Geschichte!«
»Ach ja?« Darcy hörte kaum zu.
»Aber ja! So ziemlich jeder hat mal über Karpathos geherrscht, es besessen oder verwaltet. Die Araber, die italienischen Piraten aus Genua, Venedig, die Kreuzritter vom Orden des Heiligen Johannes, Türken, Russen – sogar die Briten! Hach! Es hat sieben Jahrhunderte gedauert, bis wir Griechen die Insel zurückbekommen haben!«
Als keine Antwort kam, fragte er: »Darcy? Ist alles in Ordnung mit dir?«
»Einigermaßen. Wie lange brauchen wir noch?«
»Die Hälfte der Strecke haben wir schon hinter uns, mein Freund. Eine Stunde noch, vielleicht ein kleines bisschen mehr, und wir umrunden das Kap gerade unterhalb der Landebahn. Da sollten wir die Lazarus finden. Wir können sie uns ansehen, aber das ist auch alles. Vielleicht können wir auch jemanden – oder etwas – an Bord anrufen und uns ein Bild machen, womit wir es zu tun haben.«
»Im Augenblick ist mir alles egal«, sagte Darcy.
Aber wie sich herausstellte, hatte Manolis unrecht, und die Lazarus lag nicht am vermuteten Ort. Sie suchten die kleinen Buchten auf der Südseite der Insel ab, fanden aber keine Spur von der weißen Yacht. Manolis war mit seiner Geduld bald am Ende. Nach kurzer Zeit, als es offenkundig wurde, dass ihre Suche vergeblich war, fuhr er nach Norden zum flachen Strand von Amoupi und ging dort vor Anker, so dass sie an Land waten konnten. Sie aßen einen griechischen Salat in einer Taverne am Strand und tranken zusammen eine kleine Flasche Retsina. Als Darcy auf seinem Stuhl unter dem Bambussonnendach der Taverne einschlief, seufzte Manolis, ließ sich zurücksinken und entzündete eine Zigarette. Er rauchte noch ein paar mehr, bewunderte die braungebrannten, hüpfenden Brüste junger englischer Frauen, die sich im Meer vergnügten, und trank dann noch eine weitere Flasche Retsina, bevor er Darcy aufweckte.
Es war 17:05 Uhr, als sie sich aufmachten, um nach Rhodos zurückzufahren.
Als Darcy und Manolis abends steif, müde, salzverkrustet und von der Sonne verbrannt in der Halle ihres Hotels ankamen, warteten vier Personen auf sie. Es gab ein leichtes Durcheinander. Darcy kannte zwei der Leute sehr gut, denn Ben Trask und David Chung waren seine eigenen Leute; aber Zekintha Föener (jetzt Zekintha Simmons) und ihren Mann Michael oder
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