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ENTSEELT

ENTSEELT

Titel: ENTSEELT Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian Lumley
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Silber nicht weggeben, Harry. Du musst dich damit bekreuzigen! Bekreuzige dich mit Silber!
    Jetzt war Harry nicht mehr nur irritiert, sondern misstrauisch. Was wusste dieser tote alte Mann? Was konnte er überhaupt wissen und was wollte er ihm sagen? Harrys Gedanken waren nicht abgeschirmt.
    Der Zigeuner fing sie auf und antwortete: Ich habe bereits zu viel gesagt. Einige würden mich jetzt für einen Verräter halten. Na ja, sollen sie doch. Ja, ich bin alt und ich bin tot, und deshalb kann ich mir diese letzte Freiheit nehmen. Du warst freundlich zu mir, und im Tod muss ich niemanden mehr täuschen.
    »Deine Warnung ist sehr mysteriös«, sagte Harry. Aber er erhielt keine Antwort. Nur eine kleine Staubwolke, die sich wieder zu Boden senkte, zeigte noch, wo die Wagen eben vorbeigefahren waren.
    »Mein Ziel steht fest!«, rief Harry hinter ihnen her. »Das ist der Weg, den ich gehen muss .«
    Ein Seufzer drang zu ihm zurück. Nur ein Seufzer.
    »Trotzdem danke.« Harry beantwortete den Seufzer mit einem Seufzer. Er ließ ein wenig die Schultern hängen. »Und lebe wohl.«
    Er spürte das langsame, traurige Kopfschütteln des anderen.
    Um elf Uhr checkte Harry im Hotel Sarkad in Mezõberény aus und wartete am Straßenrand auf sein Taxi. Er hatte nur seine Reisetasche bei sich, in der er kaum etwas mit sich trug: nur seinen Schlafsack, eine detaillierte Karte der Gegend in einer Seitentasche, und ein Proviantpaket, das ihm die Tochter des Hotelbesitzers zusammengestellt hatte.
    Die Sonne brannte heiß und schien durch die staubigen Fenster der alten Klapperkiste noch verstärkt zu werden. Die Sonnenstrahlen, die auf Harrys Hände fielen, erzeugten ein Gefühl wie von kleinen Nadelstichen. Bei der ersten Gelegenheit, in einem Dorf namens Bekes, ließ er kurz anhalten, um sich einen breitkrempigen Strohhut zu kaufen.
    Es waren zwanzig Kilometer von Mezõberény bis zu seinem Ziel in der Nähe der rumänischen Grenze. Bevor er seinen Fahrer entlohnte, ließ er sich von ihm noch einmal bestätigen, dass seine Karte richtig war und der Grenzübergang nur zwei oder drei Kilometer vor ihm lag, an einem Ort namens Gyula.
    »Gyula, ja«, sagte der Fahrer und deutete vage die Straße entlang. »Gyula. Wir können beides oben vom Hügel aus sehen – die Grenze und Gyula.« Harry sah zu, wie der Fahrer sein Taxi wendete, dann hängte er sich die Reisetasche über die Schulter und machte sich zu Fuß auf den Weg. Er hätte mit dem Taxi näher an die Grenze heranfahren können, aber er wollte nicht, dass man ihn so kommen sah. Ein Mann zu Fuß auf einer Landstraße erregt weniger Aufsehen.
    Und es war wirklich eine Landstraße. Rings herum nur Wälder, Felder, Wiesen, Hecken und grasende Tiere. Das Land schien fruchtbar. Aber drüben, auf der anderen Seite, lag das Zentralmassiv Transsilvaniens. Vielleicht nicht so düster dräuend wie die Meridionali, aber auch so waren es Ehrfurcht gebietende und bedrohliche Berge. Von den höher gelegenen Punkten seiner Straße aus, die ihn immer wieder über kleine Anhöhen und durch Senken führte, konnte Harry die graublauen Berge und Gipfel in vielleicht vierzig Kilometern Entfernung sehen. Sie ragten am Horizont auf – ein Gewirr diesiger Felsmauern, verschwommen in der Entfernung und der dunstigen Luft. Sein Ziel.
    Und von seinem Aussichtspunkt aus konnte er auch den Grenzposten sehen, dessen rot-weiß gestreifte Schranke sich über die Straße aus einem Holzhäuschen schob, wie man es eigentlich nur in Österreich erwartete. Grenzen hatten Harry nie sonderlich gestört, jedenfalls nicht, als er noch das Möbius-Kontinuum zur Verfügung hatte, aber nun waren sie für ihn ein gewaltiges Hindernis. Er wusste, dass es für ihn keine Möglichkeit gab, an diesem Balken vorbeizukommen, zumindest nicht, wenn er auf der Straße blieb. Aber sein simpler Plan hatte das einkalkuliert. Jetzt, da er genau wusste, wo auf der Karte er sich befand und wo die Grenze verlief, würde er einfach weiter den Touristen spielen und den Tag unauffällig in einem kleinen Dorf oder auf einem Gut verbringen. Da würde er sich mit der Karte vertraut machen, bis er die Gegend genau kannte, und sich einen sicheren Weg nach Rumänien hinein überlegen. Er wusste, dass die Securitate darauf bedacht war, Rumänen an der Ausreise zu hindern, aber es gab keinen Grund, warum sie sich die gleiche Mühe geben sollten, Ausländer abzufangen. Schließlich musste man verrückt sein, wenn man in dieses Land hinein wollte.
    So

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