ENTSEELT
saugte ein wenig Bier vom Tisch auf, aber sie war sehr anschaulich.
»Ja, so in etwa«, nickte Gogosu, »aber viel, viel älter. Diese Karte ist nur nachgezeichnet. Lasst mich mal sehen.«
Er glättete die Karte und sah sich einige Stellen genauer an. »Sie ist nicht drauf«, sagte er schließlich. »Die Burg ist nicht eingezeichnet. Da ist nur eine leere Stelle. Na ja, das ist verständlich. Ein düsterer alter Ort. Wie ich schon sagte, wenn sie könnten, würden sie ihn am liebsten vergessen. Legenden? Wenn es doch nur das wäre!«
Einen Moment später fuhr er hoch, ließ sich in seinem Stuhl zurückfallen und schlug sich mit beiden Händen vor die Stirn.
»Oh Gott«, Laverne war bestürzt. »Ist alles in Ordnung mit ihm?«
»Ja ... alles ... okay«, erklärte Gogosu ihm. Und zu Vulpe sagte er: »Ich erinnere mich jetzt, Gheorghe. Es war ... Ferenczy!«
Vulpes Unterkiefer klappte nach unten, und seinen Freunden erging es genauso. »Oh Gott«, meinte Laverne erneut, dieses Mal ein bloßes Flüstern.
»Das Schloss Ferenczy?« Armstrong ergriff den Jäger über den Tisch hinweg am Arm.
Gogosu nickte. »Ja, so hieß es. Das ist das, was ihr sucht, oder?«
Vulpe und die anderen ließen sich zurücksinken und starrten sich gegenseitig an. Sie schienen überrascht, verwirrt, oder auch einfach nur verblüfft. Aber schließlich sagte Vulpe: »Ja, das suchen wir. Und du führst uns hin? Morgen?«
»Natürlich tue ich das«, meinte Gogosu. »Wenn der Preis stimmt!« Und er blickte auf Vulpes Hände, mit denen der Amerikaner die Karte auf den Tisch drückte. Vulpe merkte, wohin der Jäger sah, machte diesmal aber keine Anstalten, seine Hände zu verbergen. Stattdessen hob er nur eine Augenbraue.
»Ein Unfall?«, fragte der alte Rumäne. »Dann haben sie das aber gut wieder hinbekommen.«
»Nein«, antwortete Vulpe. »Das war kein Unfall. Ich bin so geboren worden. Meine Eltern haben mir nur beigebracht, sie immer zu verstecken, das ist alles. Und das tue ich aus Gewohnheit auch heute noch, wenn ich nicht gerade unter Freunden bin ...«
Wegen der Berge schien es, als ginge die Sonne ein wenig später auf als sonst. Als sie schließlich doch über den Gipfeln zum Vorschein kam, war sie heiß und gleißend. Um halb neun warteten die drei Amerikaner auf der staubigen Straße vor dem Gasthaus auf Gogosu. Ihre Rucksäcke standen zu ihren Füßen. Um sich vor der Sonne zu schützen, trugen sie Kappen mit abgetönten durchsichtigen Schirmen. Der alte Jäger hatte gesagt, er werde sie hier um diese Zeit abholen, das aber nicht näher ausgeführt.
Randy Laverne stellte gerade eine soeben geleerte Bierflasche auf der Schwelle des Gasthauses ab, als sie das Klappern und Ächzen eines Omnibusses hörten. Die waren hier so selten, dass sie fast ins Reich der Legenden gehörten. Auf jeden Fall etwas, das man fotografisch festhalten musste. Seth Armstrong holte seine Kamera hervor und begann Bilder zu schießen, als der altersschwache Bus zwischen den Bäumen hervorkam und die Serpentinen zum Gasthof herunterschaukelte.
Es war ein bizarres Gefährt: abgefahrene Reifen, die Kühlerhaube vibrierte deutlich sichtbar über dem immer wieder fehlzündenden Motor, die Scheiben trübe und mit toten Fliegen übersät. Die Windschutzscheibe war ein einziges Schlachtfeld, bedeckt mit den Überresten tausender selbstmörderischer Insekten. Und Emil Gogosu lehnte in der vorderen Passagiertür mit einem gewaltigen Grinsen auf seinem ledergegerbten Gesicht und winkte ihnen einzusteigen.
Der Bus ruckelte ein paarmal, bevor er zum Halten kam; der Fahrer grinste, nickte und hielt eine Rolle mit braunen Fahrkarten hoch.
Gogosu stieg aus und half den drei Amerikanern, ihre Rucksäcke an Stahlstangen festzuzurren, die sich an der ganzen Seitenwand des uralten Gefährts entlangzogen. Dann stiegen sie ein, bezahlten den Fahrpreis und fielen in ihre Sitze, als der Fahrer einen niedrigen Gang einlegte und den Bus die zwanzigprozentige Steigung hinabrollen ließ.
George Vulpe saß neben Gogosu. »Na gut«, meinte er, als er wieder zu Atem gekommen war. »Und wohin geht es jetzt?«
»Zuerst das Geld«, konterte der Jäger.
»Alter Mann, ich habe den Eindruck, du traust uns nicht sonderlich.«
»So alt bin ich gar nicht – ich bin erst vierundfünfzig«, erklärte Gogosu. »Ich bin nur so wettergegerbt. Aber trotzdem, ich wäre nicht so alt geworden, wenn ich nicht gelernt hätte, dass man sein Geld im Voraus kassieren sollte. Das hat nichts mit
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