ENTSEELT
polternd die Stufen hoch, bis zu dem Punkt, wo der Kamin in einem Neunzig-Grad-Winkel abknickte und einen Gang bildete. Zwanzig oder fünfundzwanzig Meter vor ihm lag Vulpes Fackel am Rand eines Grabens, der rechts neben dem Gang in den Fels gehauen war. Sie flackerte immer noch und verströmte schwarzen Qualm.
Aber von Vulpe selbst keine Spur. Nur die erstickten, gequälten »Ahs«, die anscheinend aus dem Graben kamen.
»George?« Laverne eilte voran – und blieb dann abrupt stehen.
Hinter der flackernden Fackel, dort, wohin weder deren Licht noch das Licht seiner Taschenlampe reichte, schwebten zwei Augen in der Dunkelheit, bedrohlich, starr, ohne zu blinzeln.
Laverne war nicht besonders mutig, aber er war auch kein Feigling. Egal, was für ein Tier das da war – ob Fuchs, Wolf oder verwilderter Hund – es würde sich vor Feuer fürchten. Er stolperte vor und griff sich die ersterbende Fackel. Er schwenkte sie über seinem Kopf, um sie wieder anzufachen. Seine Bemühungen wurden sofort mit einer leuchtenden Flamme belohnt, die die Schatten verdrängte. Das Tier vor ihm flüchtete. Laverne erhaschte noch einen Blick auf etwas Graues, Verstohlenes, Hundeartiges, bevor es wieder von der Dunkelheit aufgesogen wurde. Er konnte jetzt auch erkennen, dass dort etwas in dem Graben lag.
Der Anblick schleuderte ihn gegen die Wand zurück, als hätte ihn eine gewaltige unsichtbare Faust geschlagen.
Er spürte sein Blut eisig in den Adern stocken. Seine zitternde Hand hielt die Fackel erneut über den Graben. Seine Augen weigerten sich, das an sein Gehirn weiterzugeben, was sie dort sahen: das Nagelbett und die Gestalt seines Freundes, der darauf aufgespießt war. George Vulpe lag dort zuckend, und Eisenspitzen hatten seine Wangen, seine Schultern, seinen Hals und seine Arme durchbohrt, ebenso wie seinen Rücken, seine Lenden und Schenkel. Aus jedem dunklen Riss und Durchstich strömte Blut, verfärbte die rostigen Eisenstangen und sammelte sich an seinen zuckenden Füßen zu einem zähflüssigen Rinnsal, das in die Rinne floss und dem steinernen Ausguss entgegenströmte.
»Heilige Mutter Gottes«, stöhnte Laverne.
»Ah ... ah ... ah«, kam es von Vulpe. Die Laute drangen aus blutigen Bläschen hervor, die zwischen seinen leichenblassen Lippen herausquollen.
Und ihm gegenüber auf dem Gang schob sich der große graue Wolf langsam und steifbeinig und mit einem tiefen Knurren in den Lichtkegel.
Vulpe war nicht mehr zu retten, das sah man auf den ersten Blick. Eine Armee von Krankenschwestern mit einer Tonne von Verbandmaterial hätte sein Verbluten nicht verhindern können, nicht bei diesen Verletzungen. Laverne konnte ihn nicht retten, weder aus dem Nagelbett, noch vor dem Wolf. Auf wackligen Beinen zog er sich zurück, schob sich seitlich mit dem Rücken an der Felswand entlang über den Gang zurück in Richtung der flachen Stufen, die zu dem falschen Kamin führten. Mit George war es vorbei – in jeder Hinsicht –, und er musste jetzt an sich selbst denken. Und als Vulpes Blut durch den behauenen steinernen Ausguss in die Öffnung der Urne floss, da beeilte sich der übergewichtige Amerikaner noch mehr, um von dort wegzukommen. Doch dann blieb er abrupt auf dem engen Sims des Ganges stehen und zitterte wie Espenlaub.
Vor ihm stand im Fackelschein der Wolf mit gefletschten Zähnen, dahinter lag ein sterbender Mann auf seinem Folterbett aus Eisenspitzen, und jetzt ... jetzt war da noch etwas anderes. Hinter ihm!
Laverne stockte der Atem. Er drehte den Kopf wie eine Mutter auf einer rostigen Schraube. Zuerst konnte er nicht erkennen, was da war. Die Umrisse waren unscharf, auf seltsame Art fließend. Die Decke schien sich abgesenkt zu haben, der Gang schien enger geworden zu sein, auf dem Boden schien sich irgendetwas abgelagert zu haben. Etwas Pelziges. Etwas, das raschelte und zuckte.
Lavernes Augen traten hervor, als er seine Fackel in die Richtung vorstreckte, und quollen ihm fast aus dem Kopf, als sich diverse kleine Teile dieser unnatürlichen Pelzigkeit von den sich bewegenden Wänden lösten und in flatternden Bögen und Sturzflügen vorbeischossen. Fledermäuse! Eine Fledermauskolonie! Und während er eine angewiderte Grimasse zog, drängten sich mehr und mehr von ihnen an die Wände, den Boden und die Decke.
Er sah in die entgegengesetzte Richtung. Der Wolf war stehen geblieben. Seine Ohren waren auf den Graben gerichtet; seine Aufmerksamkeit auf die Urne. Laverne war eisig kalt, schwindlig, und er
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