ENTSEELT
du hast selbst die Augen eines Wolfes.«
»Dahin«, flüsterte Vulpe. »Komm mit!«
Sie kamen unter den Bäumen hervor und standen vor einem Haufen Steinschutt, der von der steil aufragenden Felswand heruntergefallen war. Vulpe atmete ruhig und regelmäßig, aber Gogosu keuchte bereits nach Luft. »Verdammt«, grummelte er und gab dann widerstrebend zu: »Meine Beine sind nicht mehr so jung wie deine.«
»Nein?« Vulpe drehte sich halb zu ihm um. »Aber ganz im Gegenteil, Emil Gogosu. Sie sind sogar Jahrhunderte jünger.«
»Häh? Was?«
»Da!«, rief der andere wieder und zeigte mir dem Finger. »Unter dem Baum da!«
Der Jäger drehte sich um und brachte das Gewehr in Anschlag – aber er sah nichts. »Da unter dem Baum? Aber da ist nichts. Ich ...«
»Gib mir das Gewehr«, sagte Vulpe. Und bevor Gogosu widersprechen konnte, hatte er schon die Waffe an sich genommen. Er zielte vage ins Leere. »Emil, bist du sicher, dass du damals auf einen Wolf geschossen hast?«
»Was?« Der alte Jäger war empört. »Wie oft soll ich dir das noch sagen? Ja, und ich habe ihn auch fast erwischt. Du kannst darauf wetten, dass er noch die Narben hat, die das beweisen.«
»Reg dich ab, ganz ruhig«, sagte Vulpe, und seine Stimme war jetzt so dunkel wie die Nacht. »Du brauchst nicht zu wetten, Emil, denn ich habe die Wunde in seiner Flanke gesehen, da wo deine Kugel ihm das Fell versengt hat. Und genau wie du dich an ihn erinnerst, erinnert er sich an dich.«
In diesem Augenblick wusste der Jäger, dass das nicht Gheorghe Vulpe war. Er spähte durch die Dunkelheit in das beschattete Gesicht, keuchte vor Schreck, zuckte zurück und sah den Wolf, dessen Silhouette sich sprungbereit auf der Spitze eines Geröllhaufens abzeichnete. Das Tier fauchte und sprang. Gogosu griff nach seiner Waffe, die der andere so nachlässig zu halten schien, aber es war, als wollte man eine Eisenstange aus dem Gitter einer Gefängniszelle reißen. Der Wolf stürzte sich auf ihn und riss ihn zu Boden, weg von diesem schrecklichen Fremden, den er für seinen Freund gehalten hatte. Die Fänge der Bestie schlossen sich geifernd um seine Kehle. Gogosu wollte aufschreien, aber da hatten sich diese fürchterlichen Zähne schon durch seine Luftröhre gebohrt. Aus seinem Schrei wurde ein rotes Blubbern, das auf eine faltige graue Stirn über rachsüchtigen Augen spritzte ...
»Du hast mich nicht pünktlich geweckt!«, war Seth Armstrongs erste Reaktion, als er wachgerüttelt wurde. Der Mond war untergegangen, der Bodennebel hatte sich aufgelöst und das Feuer war fast vollkommen heruntergebrannt.
»Willst du dich beschweren?«, fragte der Mann neben ihm, der auf den ersten Blick George Vulpe war.
»Nein«, Armstrong schüttelte den Kopf, zum Teil als Antwort, aber hauptsächlich, um wach zu werden. »Ich habe geschlafen wie ein Stein. Muss an der Höhe liegen.«
»Gut. Es freut mich, dass du deinen Schlaf genossen hast. Schlaf ist notwendig, auch wenn es die reine Verschwendung ist. Warum sollte man schlafen, wenn es ein Leben zu leben gibt, was? Ich werde nicht mehr schlafen, lange Zeit nicht mehr.«
Armstrong wurde langsam wach. »Was?« Er setzte sich auf. Vielleicht wäre er aufgesprungen, aber der Lauf von Gogosus Gewehr drückte gegen seine Brust. Und ein magerer grauer Wolf starrte ihm direkt in die Augen. Er lag flach auf dem Bauch wie ein Hund, die Vorderpfoten ihm entgegengestreckt. Eines seiner Ohren war starr aufgerichtet, das andere zuckte flach an dem langgezogenen Schädel. Der Gesichtsausdruck des Wolfs konnte ebenso ein Grinsen wie ein Knurren sein; auf jeden Fall war die zuckende Schnauze rot beschmiert.
»Verdammter Mist!« Armstrong versuchte, seine Füße zu befreien, die sich in dem Schlafsack verfangen hatten.
»Ruhe!«, kommandierte der, den er immer noch für Vulpe hielt. »Wenn du genau das tust, was dir gesagt wird, wird er dich nicht angreifen, und ich werde nicht abdrücken.«
»Ge...George!« Armstrong fand seine Stimme schließlich wieder. »Das da ist ein beschissener Wolf!«
»Ein blutbeschmierter Wolf, meinst du.«
»Er...er...erschieß das Mistviech.« Armstrongs Gesicht war leichenblass im bläulichen Sternenlicht.
»Bitte?«, fragte der sitzende Mann und legte den Kopf zweifelnd auf die Seite, als könnte er nicht glauben, was er da gerade gehört hatte. »Ich soll ihn erschießen? Ich soll einen alten, treuen Freund erschießen? Nein, ich glaube, das werde ich nicht tun.«
Er nahm einen trockenen Ast und
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