ENTSEELT
Steinstufen, die sich in die Dunkelheit hinaufschraubten, erklangen ein leises Tapsen und ein noch leiseres Jaulen. Ein angestoßener Kiesel polterte die Treppe herunter. Dann war wieder alles still.
Laverne war urplötzlich eisig kalt und klamm. Er zitterte wie Espenlaub, als er mit der Taschenlampe die Treppe hinaufleuchtete. »Mein Gott! Oh mein Gott!« Aber da waren nichts und niemand. Oder war das da ein Schatten, der sich außer Sicht schob?
Laverne stolperte über die Steinplatten des großen Gewölbes, durch einen Durchgang in andere Räume, die dahinter lagen. Sein abgehacktes Keuchen und die gedämpften Tritte hallten wie Donner in den Räumen wider, aber er versuchte gar nicht, die Geräusche zu dämpfen. Er wollte einfach nur Vulpe einholen und herausfinden, was diese ganze Charade sollte. Der Schein von Vulpes Fackel leuchtete wieder vor ihm, und er roch auch wieder den harzigen Brandgeruch. Laverne stolperte in diese Richtung weiter, durch den Staub und die Salze und Chemikalien, die auf dem Boden verstreut lagen, bis plötzlich ...
Dieser Raum war anders als die anderen. Er blieb in dem Durchgang stehen und leuchtete mit seinem ersterbenden Taschenlampenschein in den Raum vor sich. Verschimmelte Wandbehänge hingen an den Wänden; die Fliesen auf dem Boden bildeten ein Mosaik mit einem seltsamen altertümlichen Motiv; ein Tisch mit einer dicken Staubschicht, auf dem Bücher und Schreibmaterialien ausgebreitet waren. Ein gewaltiger Kamin mit Steinsims und der flackernde Schimmer einer nackten Flamme, die aus dem Kamin herausstrahlte! War George Vulpe etwa dort hineingegangen?
Laverne hatte einige Probleme mit dem Atmen, als er keuchte: »George?« Er durchquerte hastig den Raum und bückte sich ein wenig, um seinen schwachen Lichtstrahl unter der Wölbung des Kamins hindurch den Schornstein hinaufzuschicken. Im Inneren, in einer Halterung an der Rückwand, steckte Vulpes rußende, flackernde Fackel, aber Vulpe selbst war nirgendwo zu sehen.
Eine Hand legte sich auf Lavernes Schulter!
»Mein Gott!«, schrie er auf. Adrenalin schoss durch seinen Körper, und er schreckte hoch. Sein Hinterkopf prallte gegen den Sturz über dem Kamin. Er stolperte in den Raum zurück, und für einen Moment war Vulpes Gestalt im Schein seiner Taschenlampe gefangen. Der andere stand da, lautlos wie ein Geist, und seine Hand war immer noch nach ihm ausgestreckt.
Laverne ging in die Knie und griff nach seinem Hinterkopf. Seine Hand war klebrig vor Blut. Ihm war übel und schwindelig, wie er da auf dem Boden hockte. Er hatte Glück gehabt, dass er sich nicht den Schädel eingeschlagen hatte. Aber die Wut verdrängte schnell seine Schmerzen. Die Dinge verschwammen nicht mehr vor seinen Augen, und er richtete seine Taschenlampe wieder dorthin, wo er Vulpe zuletzt gesehen hatte. Aber Vulpe – Schlafwandler, Arschloch oder Witzbold, egal was er war – war fort. Nur noch ein verblassender gelber Feuerschein aus dem Inneren des Kamins.
Laverne kam stolpernd auf die Füße. Er hob sein Messer auf, das er vor dem Kamin fallen gelassen hatte. Er klappte es zusammen und steckte es weg. Für die Tracht Prügel, die er »Gheorge« Vulpe verpassen würde, brauchte er kein Messer. Und wenn er dann mit diesem Mistkerl fertig war, konnte er selbst zusehen, wie er hier wieder hinauskam. Wenn er dann noch die Kraft dazu hatte.
Er fühlte sich jetzt wieder sicherer auf den Beinen, und mit zusammengebissenen Zähnen ging Laverne wieder zu der Feuerstelle. Er kroch hinein und sah sofort die Stufen in der Rückwand des Kamins. Über sich hörte er Geräusche, das hallende Schaben von Schuhen, ein gedämpftes Husten. Er überlegte: Was hochsteigt, muss auch wieder herunterkommen! Vielleicht sollte er hier auf diesen Trottel warten. Aber da hörte er Vulpes Schrei.
Laverne hatte noch nie einen solchen Schrei vernommen. Er folgte unmittelbar auf ein nervenzerrüttendes knirschendes Geräusch – so wie von gewaltigen Steinplatten, die übereinanderschaben – und stieg zu einem vibrierenden Crescendo an, das am höchsten Punkt plötzlich abgeschnitten wurde. Und als das Echo verklang, folgte ein kehliges Gurgeln und Keuchen. Vulpe gab ein »Ah ... ah ...« von sich, als erstickte er, wie ein Mann im Todeskampf. Lavernes Nackenhaare hatten sich aufgerichtet. Er wusste zwar gar nicht, wie sich ein Mann im Todeskampf anhörte, aber er hatte das sichere Gefühl, dass es sehr ähnlich klingen müsse.
»Oh mein Gott!«, wimmerte er und stürmte
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