Entsetzliches Gleichmaß
Mitte des Zimmers und nahm rücklings darauf Platz. Dann sah er zu ihr auf. »Warum sind Sie wirklich hier, Iliana?«
Iliana starrte ihn an. »Das meinen Sie jetzt nicht ernst, oder?«, fragte sie und konnte ihren Zorn nicht verbergen. »Wie können Sie dasitzen und so tun, als wüssten Sie nichts von dem Leid, das mich zu meinem Entschluss motivierte?«
»Oh, ich weiß alles über das tragische Ableben Ihres jungen Glinns. Sie haben mein aufrichtiges Mitgefühl. Was ich wissen will, ist aber, inwiefern dieser Vorfall Sie motivierte. Sind Sie hier, weil Sie eine Art patriotischer Epiphanie erlebten? Treibt Sie der Durst nach Rache? Fühlen Sie sich an Ataans Schicksal schuldig und wollen zum Orden, weil Sie Ihrer Ansicht nach eine Bestrafung verdienen?«
Sie lachte bitter und schüttelte den Kopf. »Das ist unglaublich. Ich komme, meinen Dienst am Staat zu tun, und was machen wir? Wir verschwenden Zeit!«
Entek neigte den Kopf. Sein Blick haftete nach wie vor an ihr. »Sie geben die Geduldige, aber in Wahrheit sind Sie es nicht, richtig? Dafür ist der Schmerz noch zu frisch – der innere Drang, der Sie antreibt, nach Aufmerksamkeit verlangt. Vielleicht habe ich mich in Ihnen geirrt.« Er stand auf und ging zur Tür.
»Warten Sie!«
Entek blieb stehen.
»Ataan ist tot«, sagte Iliana. »Er ist tot, und ich kam zu Ihnen. Welchen Unterschied macht es, warum ich hier bin? Wir wissen beide, dass es so richtig ist, schließlich haben Sie meine Entscheidung schon vor zwei Jahren vorausgesehen. Wollen Sie das von mir hören? Kein Problem: Sie hatten recht, Entek.«
»Hier geht es nicht darum, wer von uns recht hatte, Iliana«, erwiderte Entek.
»Was erwarten Sie
dann
von mir?«
»Ich will wissen, was
Sie
wollen«, antwortete er.
Ilianas Stimme brach. »Ich will … muss büßen.«
»Für was?«
»Für meine Trägheit. Meine Blindheit. Meine Arroganz.« Zum ersten Mal seit dem Besuch ihres Vaters in Pra Menkar flossen die Tränen. Iliana wusste nun, was für eine Närrin sie gewesen war: ein naives Kind, von den Eltern behütet und in einem Fantasieleben gefangen, in dem sie sich von den Vorfällen in der Welt unberührbar fühlte. Umgeben von Personen, die ihr Leben dem Dienst an und der Verteidigung des Staates gewidmet hatten, war sie keinem Vorbild gefolgt. Sie hatte geglaubt, über den Mühen zu stehen, die das Universum definierten, und die Welt nur als distanzierte Beobachterin wahrgenommen, als Zuschauerin. Es war unentschuldbar.
Ataan hatte gewusst, dass man Fehler nicht nur wahrnehmen musste. Es reichte nicht, sich eine gerechte, strahlende Zukunft vorzustellen – man musste etwas dafür tun. Für sie kämpfen. Denn das Universum ergab sich nicht kampflos.
Nicht ohne Opfer.
»Begreifen Sie denn nicht?«, flüsterte sie. »Ich muss für alles büßen. Dafür, dass ich untätig danebenstand, während andere den Preis für Cardassias Sicherheit zahlten.« Sie wischte sich die Tränen aus dem Gesicht und sah ihm in die Augen. »Sie versprachen mir einst die Chance, ein Teil der Lösung zu sein. Mir zu helfen, mein wahres Potenzial zu erkennen. Nun, hier bin ich, und ich brauche einen Lehrmeister. Sind Sie das, oder sind Sie es nicht?«
Entek sah sie eine Weile schweigend an. Dann sagte er: »Corbin.«
»Was?«
»Nennen Sie mich Corbin.«
Iliana schluckte. »Werden Sie mir helfen, Corbin?«
Er hob die Fernbedienung, und die Tür glitt wieder auf. Entek trat auf den Gang hinaus. Einen Moment lang glaubte Iliana, er werde sie in ihrem winzigen Quartier zurücklassen, allein mit ihrer Nutzlosigkeit. Doch er blieb stehen und sah zu ihr.
»Folgen Sie mir«, forderte er sie auf.
Der Obsidianische Orden, Tag 22
»Diese tiefen Empfindungen, die Sie antreiben«, sagte Entek, während er Iliana einen breiten, blauen Gang hinunterführte, »die Scham, die Schuld, die Wut … Sie geben Ihnen Kraft, aber sie dürfen niemals Ihre Handlungen bestimmen, Ihre Denkweise beeinflussen, Ihr Urteil trüben. Passiert das, kommen Sie nämlich vom Weg ab und finden vielleicht nie mehr zurück.«
»Wie kann ich das verhindern?«, fragte Iliana. Nach Wochen auslaugender Tests und Schulungen, gewährte Entek ihr eine Führung durch die obersten Etagen des Ordens. Dort lebten und arbeiteten die Adepten.
»Durch Selbstlosigkeit«, antwortete er. »Wir müssen Cardassias Bedürfnisse vor die unseren stellen. Jederzeit. Nur dann erfüllen wir unser Potenzial wirklich. Wir vergessen leider viel zu schnell, dass Tret Akleen
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