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Entsorgt: Thriller (German Edition)

Entsorgt: Thriller (German Edition)

Titel: Entsorgt: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph D'Lacey
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ergeben. Diesmal verwendete er wieder einen Schwarz-Weiß-Film. Er hatte sie in der Küche beim Kartoffelschälen angetroffen. Er hatte seine Kamera dabei, jedoch nicht mit der Absicht, sie zu fotografieren. Als er so in dem offenen Durchgang zur Küche stand, fiel ihm auf, dass an der Szenerie einfach alles stimmte. Seine Hände griffen automatisch nach der Kamera, die um seinen Hals hing. Erst als er diese bereits in der Hand hielt, sah die Frau zu ihm auf.
    Ihren Mann hatte er um dessen Zustimmung gebeten, ihn in seinem Lehnstuhl am Fenster fotografieren zu dürfen. Diesmal war es anders. Eine Gelegenheit, die sich bot. Er wollte sie gerade um ihr Einverständnis bitten, als sie sich wieder ihrer Arbeit widmete und so tat, als wäre er gar nicht vorhanden. Er hatte genug Zeit in Gegenwart der beiden verbracht, um zu wissen, wie viel sie sagten, ohne den Mund aufzumachen. Er entspannte sich ein wenig, überprüfte Blende und Belichtungszeit, führte den Sucher der Kamera an sein Auge. Und als er und die Kamera dasselbe auf dieselbe Art sahen, drückte er ab. Aber in dem Augenblick, als er seine Komposition fand, in dem Augenblick, als er sich auf das Motiv einließ, blickte die Frau zu ihm auf, und ihr Gesicht öffnete sich.
    Hier, nimm alles , schien sie zu sagen, wie ein Vergewaltigungsopfer, das im Augenblick der Unterwerfung sämtliche Schutzschilde herunterlässt, dem Vergewaltiger mit seiner Passivität sämtliche Macht nimmt. Dies war natürlich keine Vergewaltigung, egal wie man es auch betrachtete. Sie wollte, dass er in ihrem Gesicht las wie in einem offenen Buch, und sie öffnete es nur für ihn. Nur in diesem Moment, und danach niemals wieder.
    Mason betrachtete das Foto. Es ließ sich durch nichts einer erkennbaren Zeit zuordnen, ausgenommen vielleicht die Qualität des Bildes selbst. Es hätte hundertfünfzig Jahre alt sein können. Da saß sie an ihrem Tisch, eine halb geschälte Kartoffel in einer Hand, ein kurzes Messer, vom ewigen Schleifen fast durchscheinend, in der anderen. Ihre krummen Finger waren übersät mit schmerzhaft aussehenden Arthritisknötchen. Die Gelenke geschwollen, aber immer noch knochig. Neben ihr türmte sich ein Berg Kartoffelschalen. In einem mit Wasser gefüllten Aluminiumtopf mit wackeligem Henkel schwammen die säuberlich geschälten Knollen. Sie blickte von ihrer Arbeit auf, und in ihren Augen lag Geschichte: vom sorglosen Mädchen zur pragmatischen Farmersfrau zur künftigen Witwe in nur einem einzigen Blick.
    Jedes Mal, wenn er das Foto betrachtete, erwartete Mason, Verbitterung in diesem Blick zu sehen, doch es gab keine Bitterkeit darin. Nur Erfahrung und Toleranz. Keinen Groll, aber Langmut. Er fand auch Einsamkeit darin, deren Schössling bereits vor langer Zeit gepflanzt worden und seitdem gewachsen war. Sie verfügte nicht über die seherischen Kräfte ihres Mannes und vermochte seine Sicht auf die Welt deshalb nicht mit ihm zu teilen. Nicht einmal seinen Blick aus diesem Fenster, vor dem er saß. Mit ihm zusammen zu sein, ihn so still zu lieben, wie sie es tat, hatte ihre einsame Seele fest an ein Leben in dieser Welt gebunden, während ihr Mann in die nächste hinüberblickte.
    O Gott.
    Es brachte rein gar nichts, diese Fragmente der Vergangenheit anzustarren, selbst wenn es noch so gute Arbeiten sein mochten. Er betrachtete die Fotos nicht, um sich daran zu erinnern, wer er war, oder um sich mit seiner Vergangenheit auszusöhnen. Er suchte nach Orientierung, nach Antworten.
    Der Farmer hätte ihm etwas über die blutende Erde sagen können, aber er war längst an jenen Ort gegangen, den er vorher bloß vor Augen gehabt hatte. Mason wendete den Blick von den Bildern ab: Die mit ihrer Betrachtung einhergehende Klarheit seiner Erinnerungen hatte ihn verwirrt. So mächtig war die Fotografie.
    Nur half ihm das jetzt reichlich wenig.
    Der Farmer und seine Frau hatten ihm damals geholfen. Zwar wäre es wohl nicht falsch zu sagen, dass sie ihm dabei behilflich waren, einen verlorengegangenen Teil seiner selbst wiederzufinden. Aber die Wahrheit war, dass er, bis er auf ihrem Land aufgetaucht war, niemals in Kontakt mit diesem fehlenden Teil gestanden hatte. Dort, zwischen diesen uralten Hügeln, musste er erst den letzten Rest seiner Persönlichkeit aufgeben, bevor er jenen Aspekt entdecken konnte, der ihm immer schon gefehlt hatte.
     
    Ich werde es bis zu den Toren der Fabrik schaffen, aber es geht bloß langsam voran. Überall stehen immer gleich zwei oder drei von

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